Pienza

The Ideal City of Pope Pius II Piccolomini



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 Pienza

Papst Pio II's deutsch-gotische Kathedrale S. Maria.

Nach Reclams Kunstführer, Italien III,2 Toskana, Stuttgart 1984
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Die Kathedrale von Pienza ist ein Unikum unter den Kirchen Italiens. Sie wurde 1459-62 an der Stelle der alten romanischen Pieve erbaut, von der man 1932 Teile der Chorpartie ergraben hat. Auf ausdrücklichen Wunsch des Papstes Pius II Piccolomini ist dieser Bau in Form einer Hallenkirche errichtet, womit ein Typus gewählt wurde, der in den Augen des Italieners 5 Vorzüge besitzen mußte: die klare Überschaubarkeit des Inneren im Ganzen, die gleiche Höhe aller 3 Schiffe, welche - wie Pius II. es in seinen »Commentarii« begründet - die »Fülle des Lichtes« ermöglichen, den polygonalen Chorschluß mit Kapellenkranz »in Form eines gekrönten Hauptes«, Chorgewölbe in Höhe der Schiffe, ausgestaltet mit goldenen Sternen auf blauem Grund, so »daß sie dem Anblick des wirklichen Himmels gleichkommen«, und schließlich weite und hohe Maßwerkfenster, die so viel Sonnenlicht hereinlassen, daß der Besucher - wiederum nach den eigenen Worten von Pius II. - wähnt, »nicht von einem Haus aus Stein, sondern von Glas umschlossen zu sein«.

Dieser in Italien ganz ungewöhnliche Rückgriff auf nordische Vorstellungen erklärt sich aus dem Umstand, daß Enea Silvio Piccolomini lange als Legat der Kirche in Deutschland geweilt hatte (1432 kam er zum Basler Konzil und blieb mit einigen geringen Unterbrechungen bis 1456). Blickt man nach Deutschland herüber, so zeigt sich, daß eine Beziehung dieser Kathedrale zu den Kirchen des Meisters Hans von Burghausen besteht. Nächster Verwandter des seitlich angebrachten Campanile ist der Turm von St. Nikolaus in Neuötting, der ähnlich über quadratischem Unterbau einen sechseckigen Oberbau und einen krabbengeschmückten Helm zeigt.

Freilich darf man bei der Kathedrale von Pienza keinesfalls von einer »Kopie« sprechen: Dem italienschen Baumeister fehlte gänzlich der Sinn für den flutenden Raum der deutschen Spätgotik. Er hielt sich nur an die allgemeinen Vorzüge eines nordischen Hallenbaues, an den hellen, überschaubaren Einheitsraum, an den Seitenturm, lehnte aber Einzelformen wie das hohe Satteldach und Spitzbogen ebenso ab wie mit Rippen reich figurierte Netz- und Sterngewölbe oder die spezifisch gotische Pfeilerformen. Nur in den Maßwerken der Fenster lehnte er sich wieder mehr nordischen Vorbildern an.

Kunsthistorisch ergibt sich das Problem, daß wohl der Auftraggeber, Pius II, nicht aber der Architekt Rossellino Kenntnis von deutschen Hallenkirchen besaß. Wie also hat der Baumeister die ungewohnte Aufgabe zu bewältigen verstanden? Interessant ist, daß er keine der sonstigen wenigen italienischen Hallenkirchen in seine Vorstellungswelt einbezog, sondern sich am einzigen Hallenbau der Toskana, nämlich dem Querhaus des Domes in Siena, orientierte. Von diesem Beispiel nahm er die kämpferartigen Aufsatzstücke, die seine Pfeiler in gotischer Weise strecken. Da der Sieneser Dom in diesem Abschnitt aus dem späteren Duocento stammt, kann man von einer »historisierenden Bewertung« des Innenraumes durch Rossellino sprechen. Eine spezifisch italienische Abwandlung des nordischen Hallenkonzeptes ist die Anlage über gedrungenem Grundriß, der den Zentralbaugedanken der Renaissance aufgreift. Was nun die Umdeutung des »flutenden« in einen gegliederten Raum anlangt, so wird sie im wesentlichen durch die Gewölbezone geleistet. Diese liegt gleichsam isoliert über dem unteren Raum»geschoß«; zwischen beide schiebt sich eine trennende Schicht der Gebälkstücke wie ein räumliches Mezzanin«.

So kommt es zu einem kalkulierbaren Organismus, der eine Synthese herzustellen sucht zwischen der idealen, fremdartigen Raumvision des Bauherrn und dem tradi- tionsgebundenen Kunstwollen des ausführenden Baumeisters. Das geistesgeschichtlich Bedeutsame des Endproduktes wurde von Pius II. wohl empfunden. In einer eigenen Bulle hat er für die Erhaltung gesorgt und festgesetzt, daß keine Einbauten vorgenommen, keine Fresken und zusätzlichen Tafelbilder, keine Kapellen und Altäre hinzugefügt werden dürften. So haben wir es hier mit mehr zu tun als lediglich einer »Kirche«: Es handelt sich um das persönliche Ruhmesdenkmal auch des Stifters und darüber hinaus um das einzigartige Zeugnis einer kurzen Begegnung von Norden und Süden in einem vorübergehenden, unwiederholbaren Augenblick der Geschichte.

Vollständig erschließt sich der Reichtum dieser günstigen Stunde erst bei Betrachtung des Platzes im Ganzen. Bis zu diesem Augenblick kannte Italien nur zwei Formen von Platzanlagen: entweder isoliert stehende, gleichsam ausgestreute Bauten auf einem weiten Plateau, wie man es beispielhaft im Domplatz zu Pisa vor Augen hat, oder in Form einer festen Aneinanderreihung von Bauteilen zu einer Häuserwand, etwa wie in Volterra zu einem großen Platz»hof« und in Siena zu einer Art »Arena«. Zum ersten Male in der Kunstgeschichte bringt hier in Pienza Rossellino die doppelte Wirkungsmöglichkeit einander räumlich zugeordneter Monumente als Einzelbauten und als Gesamtgruppe zur Anwendung. Die trapezförmige Anordnung der Paläste mit nach der Kirche zu divergierenden Frontlinien und die diese Trapezform negierende Aufteilung der Platzfläche in ein System rechteckiger Felder sind als szenographische Hilfsmittel zu begreifen, womit Prinzipien der römischen Kapitolsanlage Michelangelos vorweggenommen sind. Dabei rechnet die Regie mit einem festen Standpunkt für den Betrachter, und zwar an der Einmündung der Straße gegenüber der Fassade der Kathedrale.

Die Kirchenfassade wird auch optisch als das eigentliche Hauptstück hervorgehoben. In ihrer doppelschaligen Anlage leitet sie sich von Albertis Fassade für den Templum Malatestianum in Rimini her, wobei die sich außen abzeichnende Dreischiffigkeit Anlaß für die Ausbildung eines Triumphbogenmotivs gibt. Vor allen anderen Bauteilen unterscheidet sich diese Fassade durch den kostbaren hellen Kalkstein. Mehr als jeder andere Bau des Platzes erglänzt sie im Licht. Nur die oberen Teile des Glockenturmes sind gleichfalls aus diesem besonderen Stein gefertigt, und zwar mit gutem, gleichfalls auf die optische Wirkung zurückführbarem Grund: Vom kalkulierten Standort des Betrachters aus sind die unteren Turmteile nicht sichtbar, der obere dagegen wird optisch der Fassade zugerechnet!






The Facade of the Cathedral







Palazzo Piccolomini