Theben - Thiva
Theben (ca. 16 000 Einw.) ist der zentrale Ort des südlichen Böotien.
Geschichte: Die Gründung Thebens geht der Sage nach auf Kadmos zurück, der aus Phönizien stammte. Nach ihm wurden die Thebaner in der Antike auch Kadmeioi genannt. Auf der Suche nach seiner Schwester Europa, die von Zeus in Gestalt eines Stiers entführt worden war, kam Kadmos nach Delphi, um das Orakel zu befragen. Dort wurde ihm geraten, die Suche nach seiner Schwester aufzugeben und der Kuh, die ihm unterwegs begegnen würde, zu folgen. Am ersten Ort, an dem sie niederknien würde, sollte er eine Stadt gründen. Das geschah an der Stelle des späteren Theben. Nach der Tötung eines dem Ares heiligen Drachens säte Kadmos dessen Zähne aus (Drachensaat). Aus ihnen entsprossen die ersten Bewohner Thebens. Von ihnen soll das Geschlecht der Labdakiden stammen, die in dieser Stadt herrschten und zu denen Ödipus und sein Vater Laios gehörten.
Theben hieß in mykenischer und in historischer Zeit Eptäpylos (»siebentorig«) aufgrund der sieben (!) Tore in der einstigen Stadtmauer. Sophokles schrieb: »Nur im siebentorigen Theben geschieht es, daß ein Menschenweib einen Gott gebiert.« Keine andere Stadt ist in der Mythologie, aber auch in historischer Zeit so berühmt geworden wie Theben. Die Stadt war Schauplatz blutiger Kämpfe und tragischer Geschehnisse, die antiken Dichtern wie Äschylos und Sophokles Vorwürfe für ihre Tragödien lieferten.
In historischer Zeit war Theben eine der dreizehn größten Städte des Böotischen Bunds. Die ständigen Kämpfe zwischen Athen und Theben werden auf die Verschiedenheit ihrer politischen Systeme zurückgeführt. In Athen herrschte die Demokratie und in Theben die Oligarchie. Der erste Krieg zwischen beiden Städten entbrannte im Jahre 510 v. Chr., wobei die Thebaner besiegt wurden. Von Anfang an war Theben mit den Persern verbunden und kämpfte im Jahre 490 v. Chr. (Schlacht bei Marathon) nicht an der Seite der Athener gegen Darius. Dieselbe freundliche Haltung gegenüber den Persern nahmen die Thebaner
auch während der Schlacht bei Platäa im Jahre 479 v.Chr. ein. Nach dem Sieg der Athener verloren die Thebaner ihre führende Rolle im Böotischen Bund für 23 Jahre. Im Peloponnesischen Krieg kämpften die Thebaner auf der Seite der Spartaner gegen die Athener. Später kam es zu einem Bündnis zwischen Athen und Theben gegen Sparta. Während des Kriegs gegen die Spartaner wurden zwei thebanische Helden, Epaminondas und Pelopidas, wegen ihrer Tapferkeit und genialen Kriegführung berühmt. Pelopidas besiegte die Spartaner bei Tegyra (374 v. Chr.). 3 Jahre später errang Epaminondas den berühmten Sieg bei Leuktra (371 v. Chr.). Mit dem Tod dieser beiden Helden verlor Theben seine Macht. Das Ende der thebanischen Hegemonie kam mit der Eroberung Thebens durch Philipp II. von Makedonien und dessen Sohn Alexander d. Gr., der das untreue Theben im Jahre 335 v. Chr. völlig zerstörte - bis auf ein einziges Haus, das dem berühmten thebanischen Dichter Pindar gehörte.
In der christlich-byzantinischen Zeit entwickelte sich Theben zu einem bedeutenden Wirtschafts- und Kulturzentrum. Die Verbreitung des Christentums in dieser Stadt ist nach der Überlieferung mit dem Evangelisten Lukas, dem in Theben die Friedhofskirche geweiht wurde, verbunden. Nach einer anderen Überlieferung war der erste Bischof dieser Stadt Rufos, den der Apostel Paulus in seinem Römerbrief (l 6,13) erwähnte. Die Ruinen zahlreicher frühchristlicher Kirchen und die interessanten frühchristlichen Plastiken (heute Museum von Theben) belegen die Bedeutung Thebens in dieser Zeit. Nördlich des großen Kastelli (Burg) von Theben befindet sich ein kleinerer Hügel, Mikro Kastelli. Auf dessen Südseite eine Katakombe aus der Zeit der Christenverfolgungen. Auf einer Wand sieht man einen in schwarzer Farbe gemalten Christus-Kopf: ein seltenes Beispiel frühchristlicher Kunst. Zur Zeit Justinians und vom 8. Jh. n. Chr. an bis zur fränkischen Eroberung (1204) war Theben eines der wichtigsten Industrie- und Handelszentren des byzantinischen Griechenland. Hier wurden prächtige Seidenstoffe und Teppiche hergestellt. Im 10. und 14. Jh. erlebte die Stadt ihre höchste wirtschaftliche und kulturelle Blüte. In dieser Zeit lebten dort auch etwa 2000 Juden, die sich mit der Seidenmanufaktur beschäftigten, außerdem Venezianer, Genuesen und Pisaner, die auf Grund eines günstigen Vertrags mit dem damaligen Kaiser Alexios besondere Handelsprivilegien genossen. Wegen der großen wirtschaftlichen und kulturellen Bedeutung war Theben in byzantinischer Zeit die Hauptstadt Zentralgriechenlands. Dort residierte der byzantinische Strategos (Gouverneur).
Mitte des 12. Jh. n. Chr. wurde Theben von den Normannen Siziliens erobert und geplündert. Außer reicher Beute nahmen die Eroberer auch viele schöne Thebanerinnen und Fachleute der Seidenmanufaktur nach Sizilien mit, um dort die Kunst der Seidenweberei zu betreiben.
Im Jahre 1205 kam Theben zum Machtbereich des Herzogs Othon de la Röche. Er machte Theben zur Hauptstadt seines Fürstentums. Im Jahre 1311 n. Chr. endete die französische Herrschaft mit der Eroberung Thebens durch die Katalanen, die im Jahre 1388 von den Florentinern unter Führung von Nerio Acciaiuoli vertrieben wurden. Auf sie folgten die Türken. Der letzte florentinische Herrscher, ein Acciaiuoli, wurde auf Befehl des türkischen Eroberers Muhamed II. umgebracht. Erst im Jahre 1829 wurde Theben von der Türkenherrschaft befreit.
Kapelle des hl. Gregor, des Theologen: Die kleine byzantinische Kapelle liegt in der Nähe der Kathedrale von Theben und wurde gemäß einer Inschrift aus dem Jahre 872 n. Chr. von dem byzantinischen Statthalter Kandidates Basileios erbaut.
Agia Photini: Interessante byzantinische Kirche. Sie stammt aus dem 10. Jh. und liegt ca. l km sö von Theben.
Palast des Kadmos: ßpärliche Reste des Bauwerks finden sich im Zentrum der Stadt.
Museum
Es gehört zu den wichtigsten Griechenlands und liegt am Ende der Pindaru-Straße am nördlichen Eingang zur Stadt. Hier finden sich äusserst interessante Funde aus der prähistorischen bis zur römischen Zeit. Außerdem sieht man in einem Raum vor dem Museumseingang schöne frühchristliche und byzantinische Plastiken sowie einen Mosaikboden. Im Garten des Museums findet man eine große Zahl Grabreliefs und wichtige Inschriften, die in Theben und Umgebung gefunden wurden.
Das Museum besteht aus vier Räumen: Die ersten zwei beherbergen Skulpturen aus der Zeit der geometrischen Kunst und der Archaikzeit. Interessanteste Ausstellungsstücke sind 3 Kuroi vom Ptoion. Im dritten Raum sieht man bemalte Grabstelen aus Theben und Tanagra. Im letzten Raum befinden sich 16 bemalte mykenische Sarkophage (Lanarken) aus Ton. Außerdem besitzt das Museum interessante Funde von den letzten Ausgrabungen auf dem Gelände des Kadmos-Palasts. Darunter befinden sich neben einer Amphore und Tontäfelchen mit Liear-B Beschriftrung 42 mesopotamische Zylindersiegel mit Keilschrift aus dem 14. Jh. v. Chr., die die Sage von Kadmos - er habe die ersten Schriftzeichen aus Phönizien mitgebracht - zu bestätigen scheinen.
Mesopotamische Zylindersiegel (14.Jhtdt v. C.) |
Mesopotamische Zylindersiegel (14.Jhtdt v.C.) |
Mykenische Lanarke mit vier Stierkämpfer-Plasitken auf dem Deckel (13.Jhrdt v. C.) |
Mykenische Lanarkemit Stiertänzern (13.Jhrdt v. C) |
Mykenische Lanarke, Priesterinnen orans (13.Jhrdt v.C.) |
Mykenische Lanarke, Baumsäule der Grossen Göttin und Zentaur (13.Jhrdt v.C.) |
Elfenbein Pixis (13. Jhrdt) |
Amphora mit Linear-B Inschrift |
An der Nordseite des Gartens erhebt sich die letzte große Mauer des einst berühmten fränkischen Palasts, den der Herzog von Theben, Nikolaus II. St. Homer (!), erbaute. Dieser Palast wurde später von den Katalanen zerstört.
Brauchtum: Interessant ist ein Volksfest mit der Bezeichnung Vlächikos Ghamos, das jedes Jahr am Rosenmontag stattfindet und viele Besucher anlockt.
Umgebung:
Inófyta (Staniates): Seinen Namen Inófyta verdankt dieses Dorf (es liegt ca. 31 km von Theben entfernt) den großen Weinbergen, die sich früher in dieserGegend befanden. Inder Antike fand hier eine berühmte Schlacht (456 v. Chr.) statt, in der die Athener einen großen Sieg über die Thebaner errangen.
Nicht weit von Theben, in nordwestlicher Richtung, liegt der kleine Fikion-Berg, auch Sphingion genannt, in dessen Nähe sich heute die Bahnstation des Dorfes Väja befindet. Auf diesem Berg soll einst das Fabelwesen Sphinx gehaust haben.
Thisvi -Thisbe In der Nähe von Thisvi (ca. 30 km sw von Theben) finden sich Spuren polygonaler Mauern, die von einer antiken Befestigung stammen. Auf den Hügeln, die Thisvi umgeben, finden sich eine Reihe von Gräbern, wahrscheinlich aus frühchristlicher Zeit. In der Nähe das schöne Kloster Makariötissa, das in seiner ursprünglichen Form aus byzantinischer Zeit stammen soll. In der Nähe von Chóstia (im W) liegt das Kloster Hosios Seraphim Dombö an einer Bucht des nordkorinthischen Golfes. Es stammt aus nachbyzantinischer Zeit. Frauen dürfen die Kirche des Klosters - auf Wunsch des Gründers - nicht betreten.