Sounion

 An der Südostspitze Attikas (ca. 68 km sö von Athen) ragt das steile Kap Sunion aus dem Meer, das auf seinem 60 m hohen Akropolis-Felsen den Poseidon-Tempel trägt (Wahrzeichen Attikas).

Geschichte: Schon in der frühen Antike war das hochragende »heilige Sounion« (Homer, »Odyssee«, III, 278) für die in den Saronischen Golf (Saronikos Kolpos) einfahrenden Schiffe ein bedeutsamer Orientierungspunkt. Funde von Kykladenidolen und mykenischen Siegeln bestätigen die frühe Besiedlung (2. Jtd. v. Chr.). Im 8. / 7. Jh. v. Chr. befand sich hier vermutlich eine frühe Apollon-Kultstätte ohne Tempel, von dem zwei sehr gut erhaltene archaische Apollon-Kuroi (Jünglingsstatuen) aus dem 7./6.Jh. aufgefunden wurden (heute im Nationalmuseum in Athen, Saal 8). Nach dem »myrtenbekränzten« Apollon (myrtoos) ist wohl auch das anschließende offene Meer (Richtung Kreta) als das »Myrtoische Meer« (Myrtoon Pelagos) benannt worden. Die Umwandlung in ein Heiligtum des wilden Meer- und Erdbebengottes Poseidon erfolgte im 6. Jh. v. Chr. mit Errichtung des ersten Poros-Kalksteintempels, der um 480 v. Chr. von den Persem zerstört wurde.





Poseidon-Tempel (Naos Posidona): Es handelt sich um einen der wenigen Kultbauten für den mehr gefürchteten als verehrten Meeresgott. Dem Mythos nach erhielt der Kronos-Sohn Poseidon (heute: Posidonas) bei der Verteilung der Welt das Meeresreich, seine Brüder Zeus und Hades das Himmelsreich bzw. das Totenreich zugesprochen. Der klassische Poseidon-Tempel aus blendendweißem Marmor der Umgebung entstand um 444 v. Chr., zur selben Zeit wie das Parthenon in Athen (vielleicht vom Baumeister des verwandten Hephaisteion/Theseion ausgeführt). Der Tempel erhebt sich auf ei-nem dreistufigen Stylobaten von ca. 31 x 13,5 m, der im NW wegen des Geländeabfalls durch einen meterhohen Sockel gestützt ist. Der dorische Peripteros umfaßte 6x13 Säulen (insgesamt 34 Säulen im Umgang), von denen 9 im S und 2 im N noch aufrecht stehen (bzw. wiederaufgerichtet sind). Die Säulen mit einer Höhe von ca. 6 m und l m Durchmesser wirken besonders schlank und elegant (eher ionisch als dorisch) mit 16 anstatt (wie üblich) 20 Kanneluren. Der grobkörnigere einheimische Marmor, der freilich leichter verwittert, behielt im Unterschied zum gelblichen pentelischen (der Akropolis) bis heute seinen Weißglanz. Zwischen Pronaos im 0 und Opisthodom im W mit je 2 Säulen in antis befand sich die Cella (Mittelraum für das Kultbild). Auch Teile der Anten und Antensäulen sind erhalten. Auf dem Marmor-Architrav ruhte vermutlich ein hölzernes Giebeldach, das mit Mamordachplatten belegt war. Am Pronaos-Architrav zeigte ein Skulpturenfries die Taten des Theseus, Szenen aus der Gigantomachie und aus dem Kampf der Lapithen gegen die Kentauren. Fragmente davon sind beim Eingang zu sehen (z. T. auch im Nationalmuseum von Athen). An einer der Säulen hat übrigens der berühmte englische Philhellene Lord By-ron, der Sunion besonders schätzte, seinen Namen (unter vielen anderen) eingeritzt.

Übriger Tempelbezirk: Im SW des Tempels Fundamentreste eines jüngeren Portikus, in den Säulenteile des alten Poros-Tempels des 6. Jh. v. Chr. eingearbeitet sind. Im SO, wo eine Peribolos-Mauer den Tempelbezirk gegen den Steilhang zum Meer abgrenzt, ist das in den Fels gehauene Fundament eines Poseidon-Altars erkennbar. Den Zugang im N bildeten Propyläen aus Poros-Stein (5. Jh. v. Chr.), die mit Marmor verkleidet waren und an der Vor- und Rückseite je einen Portikus mit zwei Säulen besaßen. Daran anschließend (im 0) ein langer Portikus mit 6 Mittelsäulen (davon 5 Basen erhalten). Im Winkel dazu Reste eines kleineren Portikus (Westhalle). Links von den Propyläen sind Teile des Pronaos-Frieses zu sehen.

Ortsbefestigungen: Um den gesamten Tempelbezirk zog sich im Bogen (im NO und N) eine z. T. noch gut erhaltene Ortsbefestigung, die im Peloponnesischen Krieg um 409 v. Chr. angelegt wurde. Im NW Reste einer Toranlage, die zu den an der Westküste künstlich angelegten Schiffsliegeplätzen führte. Etwas weiter an der kleinen Bucht vermutlich Reste von Hafenanlagen und Gebäuden (Getreidespeicher). Im Innern des Geländes wurden antike Gassen entdeckt.

Athene-Heiligtum: Etwa 500m nö außerhalb des Poseidon-Bezirks liegt auf einem flachen Hügel (zwischen den Kap-Buchten) ein Tempelbezirk aus dem 6. Jh. v. Chr., der der Athene Sunias geweiht war. Der größere Tempel von 17 x 12 m war nur im 0 und S von einer Säulenreihe (Peristase) umgeben.

In der Cella Fundamente für 4 Innensäulen (Megarontyp), an der Rückwand die Basis für die Athene-Statue. Der Tempel wurde um 460 v. Chr. umgebaut (Säulenstellung 7 x 9). Wichtige Bauglieder mit Kapitellen im Nationalmuseum von Athen. NÖ davon die Reste eines kleinen dorischen Baus (5 x 7 m) mit Cella, Kultbildbasis und späterer zweisäuliger Vorhalle. Davor geringe Reste eines Athene-Altars.

Umgebung: Gegenüber dem kleinen Badeort Legrenä (4 km nw) liegt das Inselchen Patroklu (auch Gaiduronisi: = »Eselsinsel« genannt). Es erhielt seinen Namen von dem ptolemäischen General Patroklos, der von hier aus versuchte, mit seiner Flotte im 3. Jahrhundert v. Chr. den Hafen Piräus (Munychia) zu erobern.