Der Kerameikos

Man vermutet, dass der Friedhof  im "Töpferviertel" Kerameikos schon im 12. Jh. v. Chr. weit außerhalb der Stadt zu beiden Seiten des Eridanos angelegt wurde. Die expandierende Stadt rückte immer näher an ihn heran. Die Grabanlagen waren für die Prominenz der Stadt (Familiengräber) reserviert. 16 Jahrhunderte lang, also bis ins 4. Jh. n.Chr., nahm man neue Aufschüttungen vor, um weitere Gräber herzurichten, ohne die alten Gräber anzutasten. 

Der heutige Befund gibt in seinem Grundbestand die Erweiterung der Stadt wieder, die Themistokles bald nach dem Ende ihrer Evakuierung und ihrer Zerstörung durch die Perser (480 v.Chr.) in aller Eile Hatte vornehmen lassen: Durch die Vorverlegung der Mauern wurde der südliche (innere) Kerameikos in die Stadt integriert. Spätere Verstärkungen der Mauer nahmen Konon (394 v.Chr.) und Lykurgos (338 v.Chr) vor.

Auch hier gab es (wie auf der Akropolis) "Perserschutt" zu beseitigen. Die entweihten Grabskulpturen waren damals willkommenes Baumaterial für die neue Mauer und heute noch willkommenere Fundstücke für die Archäologen:

1916 Kopf des Kuros vom Dipylon (Nationalmuseum Athen, Saal 8, Nr.3372), der den Anfang archaischer Plastik repräsentiert;

1929 Die rechte Hand des selben Kuros; 

1932 Ein zweiter dem vom Dipylon nahe- und doch auch nachstehender Kuros gelangt über den Handel in das Metropolitan Museum nach New York. 

2002 Der "Sensationsfund", über den der Erste Direktor des DAI Athen und Ausgrabungsleiter W.-D. Niemeier am 11.05.02 in der FAZ (Nr. 108, S.43) berichtet. Alle Funde lagen in Reih und Glied und hatten offenbar der Wegebefestigung im Überschwemmungsgebiet des Eridanos gedient: 

 Der gut erhaltener "Kuros vom Heiligen Tor", nach Größe und Art ein "Zwilling" des Kuros vom Dipylon, also ein weiteres Meisterwerk des "Dipylon-Meisters". um 600 v.Chr.: "Blockhaftigkeit des Kopfes, starke Kinnpartie, schmales und hohes Gesicht, mandelförmige Augen, Perllockenfrisur mit Heraklesknoten"

Sphinx (um 560 v.Chr.), symmetrisches Spiegelbild zu der 1907 in der Nähe gefundenen Sphinx (Nationalmuseum Athen), beide möglicherweise Akrotere eines Grabbaus. 

Zwei Marmorgrablöwen mit "Kragenmähne" aus der ersten Hälfte des 6. Jh., von denen wenigstens einer sehr gut erhalten ist. 

Teile einer ionischen Säule aus Marmor und einer dorischen Säule aus Poros.

Den äußeren Teil des Kerameikos mit seinen bekannten Grabanlagen durchziehen drei Hauptstraßen: die Gräberstraße (West- und Südstraße), die Querstraße (Heilige Straße) und die weiter nördlich verlaufende Akademiestraße "Demosion Sema", weil an ihr die Staatsgräber lagen). 

Das Kerameikos-Museum enthält die gefundenen Grabbeigaben. In der Eingangshalle befinden sich ein Relief aus dem Hekate-Heiligtum, das Grabrelief des Ritters Dexileos, der Torso eines Reiters, eine archaische Sphinx und ein Marmorlöwe. 

 

.

<

1.Südstraße
2.Weststraße
3. Philoxenos
4. Pamphile u. Demetria; Dorkas v. Sikyon
5. Hegetor
6. Hieronymos
7. Makareos
8. Lysanias aus Thorikos
9. Agathon u. Sosikrates (Korallion)

10. Dionysios
11. Lysimachides
12. Tephisodaros
13. Nikostrates
14. Eubios v. Patmos
15. Bion (Säule)
16. Koroibos (Hegeso)
17. Samakion, Menes
18. Hipparete
19. Phanokles, Philokrates

20. Tritopatreis-Bezirk
21. Antidosis (Stele)
22. Astromache
23. Olympichos
24. Eukolyne
25. Pythagoras
26. Thersandros, Simylos
27. Heilige Straße
28. Mauer des Themistokles
29. Mauer des Lykurg (zerstört)

30. Das Heilige Tor
31. Dipylon
32. Altar (Hermes)
33. Pompeion
34. Akademie-Straße
35. Schwitzbad
36. Grab der Lakedaimonier
37. Staatsgrab (um 350)

Das heilige Tor

Durch das Heilige Tor (30) führte jährlich der Festzug (Pompe, Theoria) über die Heilige Straße (27) nach Eleusis. Die Anlage nahm ein Areal von 35 m in der Länge und 15 m in der Breite ein. Aber auch für den Eridanos musste hier ein Durchlass gebaut werden. Dessen Steinüberwölbung erfolgte aber erst im 3. Jh. n.Chr.

Neben dem Heiligen Tor befindet sich ein ca. 43 x 18 m großer Platz, auf dem das "Pompeion" (33) stand. Ursprünglich wurden hier Geräte für den Festzug nach Eleusis und den Panathenäenzug aufbewahrt. Es diente später auch als Gymnasium und  besaß Unterrichtsräume und Trainingsplätze. Ihm war eine kleine Säulenhalle vorgelagert, das Propylon. 

Wenn man den Kerameikos-Friedhof betritt, kommt man als erstes die Querstraße (Südstraße) (1) entlang. Gehen wir weiter geradeaus, kommen wir auf die breitere Gräberstraße (Weststraße) (2). Dort biegen wir links ein, um uns ebenfalls auf der linken Seite die Kopie des im Museum schon betrachteten Reliefs des Dexileos nochmals an Ort und Stelle anzusehen.

Dexileos war 20 Jahre alt, 394 v.Chr., im Krieg gegen Korinth gefallen. Er ist im Staatsgrab am Dipylon beigesetzt, während diese Stele seinen Kenotaph im Familiengrab schmückt. Die Inschrift lautet

Dexileos, des Lysanias Sohn aus Thorikos
Geboren unter dem Archon Teisandros,
Gefallen unter Eubulides
In Korinth als einer der fünf Reiter:

Direkt dahinter befindet sich der Grabbezirk der Brüder Agathon und Sosikrates die aus Kleinasien geflohen waren und in Athen 364 v.Chr. eine neue Heimat gefunden hatten. (9).

Links das Relief der Korallion, die sich von ihrem Gatten Agathon verabschiedet. Rechts neben der Stele: Agathons Grabmal 

Einige Meter weiter das Grab des Dionysios (10) mit einem über den Naiskos erhöhten Stier. 

Um in den Grabbezirk des Lysimachides (11) zu gelangen, müssen wir einige Stufen überwinden. Er war erster Archont der Athener. Dort sehen wir eine Marmorlöwin und einen Molosserhund. Das Charon-Relief zeigt neben dem Fährmann der Unterwelt eine Familie, die gerade Totenschmaus hält. 

Südlich davon können wir die Überreste des Hekate-Heiligtums bewundern und zahlreiche Sarkophage und Lutrophoren, wie sie zur Bestattung von Unverheirateten benutzt wurden. 

Am Ende der Weststraße die beiden Grabbezirke des Tephisodaros (12) und Nikostrates (13).

Rechts sehen wir die Grabstätte des Eubios aus Patmos (14).

Etwas weiter das Grabmal des Koroibos (16) mit einer Kopie der Grabstele der Hegeso (Original im Nationalmuseum).

Links eine Kopie der Stele der Hegeso

Die zentrale Stele markiert das Grab des Koroibos, dem der ganze Grabbezirk gehörte. 

Rechts das Denkmal seines Enkels Kleidemos

 Original der Hegeso im Archeologischen Museum

Wenig davon entfernt die Stele des als Reiter dargestellten Menes (17).

Hipparete (18) war wahrscheinlich Enkelkind des Alkibiades.  

Unweit von hier mündet die Gräberstraße in die Heilige Straße (27), nämlich am Tritopatreion (20), dem Heiligtum der "Tritopatreis", ("Dreiväter"). Sie waren erdgeborene, lebensspendende Windgottheiten. (Die in der Nähe stehende "Dreifaltigkeitskirche" knüpft bewusst an die Dreizahl an). 

Gegenüber finden sich zwei schlichte von Athen gestiftete Grabpfeiler für Proxenoi (diplomatische Vertreter der Stadt): für Pythagoras aus Selymbria (25) und die beiden korphiotischen (kerkyräischen) Gesandte Thersandros und Simylos (26), die auf einer offiziellen Reise 375 v. Chr. in Athen verstarben. 

Das Grabmal der Ampharete, aus pentelischem Marmor, dargestellt mit ihrem Enkelkind. (430-420 v.Chr

Das Kind meiner Tochter halte ich hier, das liebe, das ich, als wir die Strahlen:
der Sohne mit Augen noch lebend erblickten;
hielt auf meinen Knien und jetzt als totes halte

Das Dipylon

Im Westen schließt sich nun das Doppeltor an, das sogenannte Dipylon (31), das größte der fünfzehn Athener Stadttore. Nach dem Eingangstor folgt ein Innenhof, der mit hohen Mauern geschützt war; darauf das Außentor. Der Innenhof diente (wie beim Heiligen Tor) als Zwinger, um eingedrungene Feinde abwehren zu können.

Laufen wir geradeaus weiter, kommen wir auf die Straße der Akademie, wo wir links die Ruine eines römischen Schwitzbades (35) und danach das Grabmal der Lakedaimonier (36) bestaunen: die 403 v. Chr. bei der Befreiung Athens von den 30 Tyrannen ums Leben kamen. 

Grabmal der Lakedaimonier (?)