Briefe
meiner Mutter an ihre Schwester Magda, an Otto Stözel
und ihre Mutter 1927 - 1937 Bildpostkarte
mit Poststempel: Schneekoppe (Preussen), 26.7.24 An Otto
Stölzel, Leipzig, Scharnhorststr. 33 Nach 10-stündigem
Marsch haben Käthe und ich die Koppe erreicht. Wir gingen
um 6 Uhr von Jannowitz fort. Ich wünsche Dir, dass Deine
Frau mit 55 Jahren auch noch so marschieren kann,. Herzlichen
Gruss an Deine Eltern und Magda. Deine
Hammermutter. [Zusatz von meiner Mutter] Haben wir
nicht eine rechte Wandervogelmutter? Grüsse Eure
Katz. Bildpostkarte mit Stempel: Schweidnitz
18.6.26 an Frau Reichsgerichtsrat Stölzel, Leipzig,
Scharnhorststr. 33 Liebe Mutter Stölzel! Zu Deinem
Geburtstag will ich Dir auch viele liebe Wünsche senden.
Gelt der Hauptwunsch ist, dass das kleine S'chen erst glücklich
da wäre. Magda ist so strahlend. Immer wenn ich heimkomme,
zeigt sie mir was sie alles fertig hat, und Du liebe Gute
überraschst sie so mit solch schönen Sachen. Wie
werden Eure Sommerpläne sein? Kommst Du etwa mal nach
Schlesien? Da würde ich mich recht freuen, wenn Du auch
nach hier in die Eule kämst Ich lass Deine Lieben alle
grüssen und mich dem Vater besonders empfehlen. Sei selbst
herzlich gegrüsst von Deiner Käthe H. Postkarte
mit Stempel: Schweidnitz 18. 1. 27 von Hammer, Schweidnitz,
Breslauerstr. 29 an Frau Magda Stölzel, Breslau 8,
Clausewitzstr. 4
Liebe Magda! Schönen Dank für
die Bücher. Das eine will ich so schnell wie möglich
zurückschicken. - Eine Säuglingspflegeststunde habe
ich schon hinter mir Oh - Lagen Kleidung - es war sehr nett.
Unsere Gewerbelehrerin wird wohl noch einige Zeit fehlen, da
blühen mir so wöchentlich 5 Vertretungsstunden. Zu
dem Kronacherfest kann ich nicht kommen, da ich
Nachmittagschule habe und früh wieder Dienst. So sehr leid
ist mir's nicht. Ihr könnt mir ja davon erzählen u.
alle herzl. Grüssen. Bei Reichelts geht es schlecht,
Liese hat eine Lungenentzündung und wird all 3 Stunden
gepackt, da ist das Fieber etwas runter, Peter ist noch
grippig. Ausserdem die Bedienungsfrau krank - Jedoch mir geht
es gut, und ich versuche die Gemüter immer mal
aufzuheitern. - Werde sehen, wie's am Sonntag steht, vielleicht
komme ich da schon nach Hause - Schnee gibts ja nicht. Grüsse
Mutter, wie mag die Wäsche gewesen sein? Schreibt bald mal
wieder. Dir, Otto, Ernstchen Grüsse, Eure
Katz Brief : [Schweidnitz?] 31. 5.
27 Lieber Otto! So nun sitzt Du den ersten Abend in Eurer
Residenz. Recht gute Wünsche sende ich Dir! Von Karl
[Vogt] bekam ich gestern einen Brief, in dem er mir
mitteilt, dass er gerade zu der zu verabredenden Zeit Urlaub
hat, den er mit einem Freund auf Fahrt zubringen wird. Er ist
merklich unangenehm berührt, dass es wieder nicht klappt
mit seinem Entgegenkommen mir gegenüber: "aus den
viel besungenen blauen Augen rinnen Tränen!" Nun wird
es so, dass ich den von Hans herausgesuchten Zug auf dem Hinweg
bis Magdeburg benütze und von dort nach Kassel fahre, wo
ich Sonnabend früh 6 Uhr bin. Karl schlug dies vor und
führt mich durch die Stadt und abends um 6 fahren wir nach
Paderborn ab (19:32) von wo Karl nach Essen weiter kutscht. -
Dies zu Deiner Orientierung, falls Du an uns denken solltest!
- So nun schreibt mir zu dem Bundestag, über Magda,
Ernstchen, Polkwitz und Euer Feiertagstun, Gruss
Katz. Brief mit Bleistift geschrieben:
Schweidnitz den 12. 8. 27 Liebe Stölzels! Da ich
augenblicklich viel Zeit habe, sollt Ihr ein Lebenszeichen
bekommen zumal ich bezweifle, dass die Karte nach Rothenburg in
Eure Hände gelangte. - Ja ich liege mal zur Abwechslung im
Bett mit einem scheusslichen "Böller", der aber
gefährlicher klingt, als er ist. Da mir das Reden schwer
wird, habe ich mich für heut und morgen krank gemeldet und
fühle mich sauwohl dabei. Mutter braucht von dem
Zwischenfall jedoch vorläufig nichts [zu] wissen. -
Hier habe ich erzählt, dass mir Schweidnitzes rauher Wind
anfangs immer schlecht bekommt. - Jedoch die Osterfahrt am
Sonntag und so mancherlei steckt dahinter. Es ist aber
herrlich, diese Nachferien und nun erst komme ich zur
Besinnung. Jedoch kurz der Reihe nach. - Als wir am
Donnerstag gerade fleissig beim Nähen von Nachthemden für
mich waren, klingelts und Ulrich steht vor der Tür. Sein
Gepäck lag einen Treppenabsatz tiefer. Er kam nach 40 Std.
Fahrt direkt von Kaschau. Na, die Überraschung wäre
ihm geglückt; mit der Tatra wäre es nur Finte
gewesen, um mich in der Zeit zu täuschen. - ich belache
mich jetzt, bei meiner Rankerhaftigkeit hätte ich ja
längst über alle Berge sein können! Nun
brachte ich ihn bald zu seiner Tante nach dem Lobrechtufer[?]
wo er wohnte und ass. Und wir besprachen viele Schlachtenpläne.
U[nter} a[nderem] dass er den Kronachern in einem
Nestabend von Siebenbürgen erzählen würde. Der
gute Wolf bekam das auf einem Zettel mitgeteilt und organisiert
die Sache. Er stieg am Montag abend. Viele waren zwar nicht da,
aber die recht interessiert. Ich fuhr nach der Sitzung um 12
Uhr nach hier und verpasste beinahe den Zug, obgleich wir schon
10 Minuten vor Abgang auf dem Bahnsteig waren und das Gepäck
wohl verstaut war - Na, davon erzähle ich euch mal, es war
zum Qwietschen. - Sonst wäre noch zu berichten, dass
wir uns zwei Tage in der Obernigker Gegend herumgetrieben haben
und die arme Mutter ganz allein liessen, da Hans bereits
abgereist, Gerd noch in Liegnitz [waren], überhaupt
ist Mutter schlecht weggekommen. Ach, und ich war so dösig
und wenig lieb zu ihnen! Ich glaube beinahe sie war traurig.
Ja, das "schwarze Bauernschwein" hat sich wiedermal
gezeigt, diesmal ist aber das "veredelte Landschwein"
auch mit Schuld. - Hier in der Penne war noch alles in
Aufregung wegen der Überschwemmung am 17 Juli. In dem
Gebäude hat 85 cm hoch Wasser gestanden und in der
Schulküche die Geschirrschränke erbrochen, die Herde
verrostet. Die arme Gewerbelehrerin musste immerzu aufräumen,
die Turnhalle sieht wüst aus, das Linoleum herausgerissen,
Springkästen, Pferde gänzlich aufgeweicht. In meiner
Branche ist alles heil geblieben, nur das Unkraut auf dem
Kinderlernplatz[?] steht riesen hoch, da haben sie für
lange Beschäftigung. - In Rothenburg und Dinkelsbühl
habe ich Euch verfolgt, da werdet Ihr viel Freude gehabt haben.
- Also von Ulm soll das Paddeln losgehn - Heidrich ritzte[?]
uns schon wegen des Zeltes. Nun Fluss-Heil, versuppt
nicht. Viele Grüsse von Eurer vergnügten Katz [auf
den Rand gekritzelt:] - Kaschners sind an eine
Militärschule in der Nähe Rostocks zum 1. Oktober
versetzt, mit Aussenwirtschaft, Liese lernt melken !! .....
Ulrich sucht für den 1. Oktober nun eine Stellung,
hoffentlich glückts. Brief
[Schweidnitz?] 20. 10. 27 Meine liebe Magda! Da
wir uns am Sonnabend nicht sehen, soll dieser Brief als mein
Stellvertreter zu Euch wandern. - Wie schade, dass Du nicht
kommen kannst, Du hattest Dich auf das Herauskommen sicher
schon gefreut. Magda, da müssen wir uns vor Weihnachten
mal in Breslau treffen - gelt! Also zunächst was
Wichtiges. Ulrich hat eine Lehrerstelle für den Winter -
aber - sehr weit im nördlichen Schleswig Holstein in
Bodenstedt gegenüber der Hallig Insel Pellworm. Gestern
bekam ich eine kurze Mitteilung mit dieser Nachricht. Er ist
selig. Na und ich auch, da wird sicher manches leichter werden
für uns. Des weiteren. Wir treffen uns vorher noch in
Bunzlau und werden es schon so deichseln, dass wir seitwärts
in die Büsch gehen. Du, ich bin schon ganz vom
Bändel.—Also denk an uns, gelt! Ja, nun kann ich
Dir aber noch nachträglich von meinen Kümmernissen
schreiben. Die Schwiegereltern wissen seit 14 Tagen von allem
und - die Mutter war entsetzt über ihren Sohn. - Dies war
uns besonders überraschend, weil wir von der Seite das
ganze Gegenteil erwartet hatten. War doch Frau Pastor so
besonders lieb und nett, als ich Ostern dort war. Auch hatte
sie sich gegenüber Käthe [Gross, Vaters Schwester]
damals in ganz anderer Weise geäussert. - Nun haben sich
ihre Bedenken wohl nicht direkt auf mich gerichtet,
sondern es war wohl ihrer Meinung überhaupt verfrüht,
dass ihr Sohn diesen Schritt tat, ehe er die Möglichkeit
eines Auskommens hat. - Na, dann hatte sie eine andere für
Ulrich wohl im Sinn, die jung, landwirtschaftlich und reich
sein soll. Ja das Alter spielte eine Rolle, das wusste ich
jedoch vorher, da ist nun die wichtige Frage des
Gesundheitszeugnisses. - Ach Magda, es waren dumme Tage,
besonders weil ich es mir anders erträumt hatte! - Nun hat
man sich beruhigt und hineingefunden, und es soll [einen]
rühren, wie die Mutter alles Geld, das sie vom Obstverkauf
hat, U. zusteckte mit der Absicht, er solle mir davon etwas zu
Weihnachten schenken. - Der Vater hat anfangs gar nichts gesagt
und dann, dass er mit allem einverstanden sei. - Nu, es wird
ihnen ja schliesslich nichts anderes übrig bleiben. Wir
haben unsere dicken Köpfe. - Sage, habt Ihr beiden
Euch damals auch deswegen Gedanken machen müssen? Weist
Du, so eine Brautzeit ist ein ewiges Hangen und Bangen. Wir
hopsen nicht mit einem weiten Sprung in unser Glück
sondern es geht über manchen Berg. Aber weist Du, es wird
immer schöner. - Manchmal würde ich schnell mal zu
Dir kommen, wenn man so voll von allem ist. - Da ist die Liese
[Reichelt] der Mensch, der lieb zu mir ist - nur ist sie
selber eine so kalt empfindende Natur und kann deshalb manches
gar nicht begreifen.. - Ja, es ist nicht leicht, wenn man so
selten zusammensein kann. - Für Weihnachten hoffe ich aber
aufs Gelingen. Das werden wir ja besprechen. - Ich sehe, es
dreht sich in dem Geschreibsel alles um dasselbe - Gelt, Du
lachst mich deswegen nicht aus. Und nun schreibe mir noch,
wie ich mich den Eltern gegenüber verhalten soll. - Ich
muss doch warten, bis die Mutter mal an mich schreibt? Oder
muss ich dies zuerst tun? Ja und dann wird U. wohl auch an
unsere Mutter schreiben müssen. - Mir ist dies Drum und
Dran so lästig. - Nun, was macht unser Häschen?
Ist sein Schnupfen schon besser. Ziehe ihn nur warm unten herum
an, wenn Du mit ihm heraus gehst, im Schatten ist es doch immer
recht kalt. - Du, kann er zu Weihnachten ein Anzügel
brauchen? Oder versorgen ihn damit die Grossmütter. Wenn
dazu auch Patentanten zugelassen werden, schicke mir mal einen
Schnitt wegen der Grösse. Wie war Dein erster Kaffee?
Haben jetzt glücklich alle Besuche Euch verfehlt oder
stehen immer noch welche aus? Was macht der Wein? Also zu einer
Nähmaschine kann man Euch gratulieren. Na warte, wenn auch
nicht am Sonntag in 8 Tagen, so doch manch andrer Mal kann ich
drauf nähen. Wo und wie ist denn der Reichelt Max
verunglückt? Ich habe noch gar nichts gehört. Man
wird wohl in B[reslau] etwas darüber wissen. Ob
Heidrichs kommen? - Du, Otto und der Werner Müller? Ich
sage zu dem nischt, er wird den Zinn[?] schon am
ehesten merken, wenn er nicht auf den Kopp gefallen ist. -
So nun soll Fritz [Hammer] noch einen Geburtstagsbrief
bekommen. Habt Ihr ihn auch nicht vergessen? Nun denkt an
Eure Katz. [Am Rand:] Passt der Unterrock nun?
Hast Du Dir noch eine Bluse gekauft? Brief,
[Schweidnitz?] 4. 11. 27 Liebe Magda! Deinen Brief
fand ich vor, als Ich in der Nacht vom Montag zu Dienstag von
Breslau kam und freute mich sehr über ihn. - Zunächst
das Geschäftliche; es waren 9 M[ark] drin, 1.) 5 M Schein
und 2.) 4 M Bargeld. So weit mir in Erinnerung borgte ich Otto
14 M - nicht? Ich nehme an Du hast Dich mit dem Schein geirrt.
- Du, es hat aber keine Eile, schicke das Geld mal gelegentlich
an mich oder Mutter. - Das Messer wird jetzt dazu benützt,
besondere Briefe damit aufzuschlitzen, und vor
Weihnachten als Pappmesser für meinen Abrissblock für
Ulrich. Was meinste, ob Otto auch einen gebrauchen kann? Später
wird es erst seiner Bestimmung nach verwandt werden. - Übrigens
hat Liese [Reichelt] mir ein gutes Kochzeugnis
ausgestellt und mir zur Erinnerung an die Tage ein Kochbuch
geschenkt. Es war sehr nett damals in den Ferien, und ich habe
die Scheu vor der Kocherei verloren. Nun warte mal, bei Dir
lerne ich auch noch. Wie Du schon weist, war ich für den
Rest in Br[eslau] . Es waren ziemlich trübe, böse
Tage, durch Tante Martes und Dorles Besuch (die waren beide
sehr lieb) und zu meiner vorgenommenen Schneiderei kam ich
natürlich nicht. So haben Mutter und ich vergangenen
Sonntag fleissig genäht. Aus dem alten, grauen Kostüm
ein ärmelloses Jackenkleid gemacht mit einer grünen
Crepebluse. Es sieht sehr schick aus, passt aber nicht zu
meiner sonstigen Kleiderart (bei dem Stoff ja auch nicht
anders möglich). Ich werde es jetzt viel tragen,
denn dem Ulrich gefällt es bestimmt nicht. - Dafür
aber ein blaues, aus dem gefärbten Stoff von Maria
gemacht. [am Rand eine Zeichnung des Kleides] Soweit
kam ich heute Morgen in der Sprechstunde, jetzt nach dem
Abendbrot weiter. Das Kleid ist ähnlich wie das
verflossene blaue Tuchkleid. Es ist mit hellblauen Paspeln
garniert und auch so mit einer Schnur und mit weissem Kragen
und Manschetten. - Ich bekam ein dickes Heft der Frauenkultur
geschickt, in dem einige Kleider als für mich "geeignet"
bezeichnet waren. Ja, Du staunst vielleicht. Du, ich mache
immer noch neue Entdeckungen, wir beide kennen uns noch lange
nicht genug. - Schade, dass Du nicht hier bist, da würde
ich Dich mal ein bissel kneifen vor Freude. - Ja also, dann
war[en] die letzten Tage (hier bei Liese) die
Mantelschneiderin. Sie machte den blauen Mantel, ganz einfach
mit 2 seitlich ausspringenden Falten, 2-reihig zu knöpfen.
Die und die beiden Kleider muss ich noch fertig machen. Ich
weis aber nicht, wo die Zeit hernehmen. Es ist ein grosses
Gehetze, ich bin schon ganz kaputt von allem. - So dumm, ich
schlafe auch immer nur bis 5 [Uhr] früh und komme
dabei nie vor 1/2-zwölf abends ins Bett. Oh, wie soll das
enden! Dabei, das ist der einzige Trost, ich bin, wenn auch
müde, sehr vergnügt. - Sag mal, ging es Dir auch
damals so ein bissel verdreht? - Nun vom bewussten
Treffen. Also: mein Zug kam 1/2 Std. eher. Mit allen
Breslauern u. Liegnitzern. Ich ging , als man sich auf den Weg
machte aufs Klo. Die gute Muttel verwunderte sich etwas, ob
meiner langen Sitzung, doch der Erfolg war schlagend, die
anderen waren weg. - Nun aber der 2-te Schreck mit Ulrichs Zuge
kamen andere Kronacher mit und du Schreck darunter Anna Heppach
und Christel. Die verwunderten sich nun bass, dass ich noch
da sei, während die anderen doch gegangen waren. Ulrich
stand grinsend im Hintergrund. Und ich erklärte halt, es
ist mir in den Leib gekommen, dabei schoben alle meine
Verlegenheit auf die peinliche Situation. Schleisslich wurden
wir in einem Bunzelladen alle bis auf Karle Vogt los. Na ja. -
Im Jugendheim, in dem wir sehr gut unterkamen und verpflegt
wurden, liessen wir die Rucksäcke und verzogen uns. - Nun
kommt eine weitere komische Situation. Im gleichen Hain kam
noch ein Pärchen gelustwandelt. Wer es von unseren Leuten
war, konnten wir nicht feststellen. Ich wurde in einen Busch
gesteckt und kroch mit meinem Kopf in den Mantel. Davon (oder
von noch etwas!) war meine Frisur in Auflösung gekommen,
und als wir ins Heim zurückkamen - natürlich
getrennt! - sassen alle beim Abendbrot. Ich ziehe meine Kappe
ab und stehe mit wehendem Schwanz in der Gegend. Worüber
alle schallend lachten und die Golzfrau[?] mir schnell
augenzweinkernd einen Kamm in die Hand drückte. Na - ja -
sowas kommt von sowas !! Am Sonntag, Morgenfeier, zu der die
Neuankömmlinge da waren, auch Werner Müller! - Doch
halt: Ich erwünschte mein Privatleben in einen
katholischen Marienstift, und wie ich merke ein 3-er-Zimmer mit
- Anne und Christel. - Geschlafen habe ich nicht viel. - Danach
Thing. Dankart spricht über unsere Stellung in der
Bewegung und ausserhalb derselben. Für die Wewelsburger[?]
einige Wiederholungen. Es war knapp und klar. Darauf
besondere Aussprache über unsere Stellung zu der
internationalen Jugendtagung auf der Teisburg[?] und der
Mitarbeit in der dort gegründeten Liga. Das Endergebnis:
es ist gut, wenn einige von uns hineingehen und [die]
deutsche Jugend vertreten, doch der Bund soll nicht
hinein. Er soll sich nicht auf eine Richtung festlegen.
(Vor einigen Tagen schrieb Ulrich, dass Cölner
hineingegangen sei.) Mit diesen Fragen verknüpft, die
Frage der Kriegsbereitschaft und gleichzeitig der Arbeit zum
Frieden. Es wurde dabei eine ähnliche Mittelstrasse
sichtbar wie beim Bundestag, trotz der verschiedenen
Richtungen. - Nun wird Dich (Euch) interessieren wer da
war. Zunächst waren Heidrichs sehr enttäuscht,
Euch nicht zu sehen, sie hatten bestimmt darauf
gerechnet. Arthur würde gern nach Neujahr zu Euch kommen.
Lotte Hahnke, jetzt in Dresden, Wolff, Golzfrau, Boy[?] mit
neuer Frau (die waren sehr nett zu mir), Gerhard Ruppricht,
Jantzen mit Schwester, (die als Jungkronacherin mit 5
anderen Mädeln aufgenommen wurde) und Marga Gewig[?],
Vogt (Vater jetzt Leiter von Grosslichterfelder
Cadettenanstalt), Werner Gneist (der Dich grüssen lässt),
der "falsche Waldemar" und so fort. Es waren wohl 60
Leute da. - Nach Tisch (gutes Essen an einer schön
gedeckten Tafel!) war Frauenbesprechung, vor der ich mich als
einzige drückte! Dann singen. Das war sehr fein! Und
danach Besichtigung der Fürsorgeanstalten, da sind wir
spazieren gegangen. Aber es regnete und trippte von Nase, Ohren
und Hut. - Nun, als ich meinen Rucksack aus dem Jugendheim
haben wollte, lag wohl einer da, aber nicht meiner. Wir rasten
auf die Bahn und kontrollierten alle. Die in Richtung Breslau
traf ich grinsend im Wartesaal, nichts zu machen, meiner war
bereits nach der entgegengesetzten Richtung abgedampft. So fuhr
ich, als einziges mein Geld in der Tasche, los, ohne Schlüssel,
und Essen u. ohne Ulrich. Der kutschte mit einem Kronacherauto
bis Weisswasser! Geärgert habe ich mich über den
Verdacht, es sei mir dies in meinem Zustand passiert, wo ich
wirklich nichts dazu konnte. - Nach bereits 2 Tagen kam der
Rucksack von Nölting[?] geschickt, der hatte ihn
vertauscht, alles Essbare herausgeholt und interessiert alles
durchstöbert. Er schrieb eine freche, anzügliche
Karte. - Natürlich gemerkt haben viele was, gesagt hat nur
Heidrich was, das ich auch recht frech fand. Nu, lass mal, die
Leute können auch eine Freude haben. - Du, die Mutter
Gross, ist nun ganz einverstanden und macht schon immer Pläne,
dass ich Weihnachten hinkommen soll. Das hängt von Ulrichs
Urlaub ab, lieber fahren wir ins Gebirge! Die Käthe
will sich mit uns zu gleicher Zeit verloben, da kostet es nur
1/2 Geld. Ob es schon Weihnachten wird? Halte den Daumen. -
Also U. hat eine Stellung als Landwirtschaftslehrer (seit
28.10) an einer Winterschule. Sie dauert nur bis zum Frühjahr,
dann denkt er nach Berlin zu gehen, um den Dr. abzuschliessen.
Er macht den Dr [agr.] Landwirtschaft und braucht dazu 3
Semester, die im Juli um sind, so dass das rigorosum erst dann
zeitigsten steigen kann. Ich hoffe stark für
Oktober 1928 auf eine Dauerstellung, da heiraten wir so schnell
als möglich. - Dass Ulrich nichts persönliches in dem
Brief schrieb, kann ich mir vorstellen, er ist so verschlossen
anderen gegenüber und ein bissel schwerfällig. Also
das bezieht sich nicht nur auf Euch! Was mach
das Ernstel? Du, ich habe U. gleich das erste Mal von ihm allzu
[viel] vorerzählt, es ist doch ein bissel mehr
mein, als ein Kindergartenkind. Ich hoffe, wenn die Mutter
Stölzel da ist, könnt Ihr beide mal nach Breslau
kommen, vielleicht Sonnabend/Sonntag. Wir müssen uns bald
mal sehen u. hinkommen zu Euch kann ich doch nicht, die Zeit
reicht nicht. - Mutter schwärmt von dem Anzügel. Sage
was wünscht sich der Wicht von mir? Wenn's doch erst
Weihnachten wäre! Haltet für alles den Daumen! Nun
viel Grüsse Von Eurer Katz. [Am Rand:] Fritz
[Hammer] schrieb ich alles zum Geburtstag. Weihnachten
hoffentlich bis zum 3.1. Ferien! Die "Hohe" ist bis
Weihnachten beurlaubt!!! Hast Du eine Ahnung, wo das Bild (von
vorn) von mir hin sein mag, das über dem Sofa im Salon
hing? Wir rahmten es doch um und nahmen von mir das andere! Der
Reichelt Max hat auf dem Rade einen Schwindelanfall (Folgen
einer damaligen Erkrankung) bekommen, ist heruntergestürzt,
Schädelbruch - tot. Bei Verwandten in O[ber]
S[chlesien]. Boy[?] hielt einen sehr netten
Nachruf! Brief: Schweidnitz,
Weihnachten 1927 Ihr lieben Stölzels! Also nun
feiert Ihr zum ersten Mal in Eurem eigenen Heim das Fest -
Einen herzlichen Gruss! Du, mein Maxel [Magda] wirst
sicher manch' Tränlein vergiessen, dass Du nicht bei
Mutter bist und Dein Ottchen wird Dich immer wieder mal trösten
müssen. Aber guck' ihn Dir nur an, wie strahlend er ist,
da vergisst Du alles andere. Wie schön wird es
andrerseits für Euch sein, das erste Mal habt Ihr Euch
ganz allein! Und der kleine Schelm tapert sicher von einem
Licht zum anderen und will pusten und von einem Arm[?]
zum anderen. Und dann habt Ihr die Vorfreude auf noch ein
goldiges Liebchen! Ja, ja Mutter hat so etwas verlauten lassen.
Ich freue mich herzlich mit Euch und wünsche alles, alles
Gute. Nun zu dem grossen Karton, in dem zur Hälfte
Holzwolle drin ist, - Das "hotte-brr" [Pferd ?]
wird Ernstel wohl schon hinter sich her ziehen können. Der
Vater solls ihm an den Wagen spannen. Die Zügel und das
Riemzeug an dem Kumt zu befestigen hat mir ein kleiner
4-jähriger Pip beigebracht. Ja eine Landwirtschaftsfrau
gebe ich noch lange nicht ab - ich wusste nämlich selbst
nicht, wies zu machen sei.— Der Inhalt des Wagens
stammt von der Benze [Tante Gretel] Ich habe den Ball
heute versehentlich in meinen Koffer gepackt, als ich von
Breslau kam. Also berichtet nach dort seinen Empfang, damit ich
nicht wieder wegen "Unterschlagung" vors
Familiengericht gezogen werde! Nun kommt die Mutter dran!
Sie kommt schlecht weg. Doch ich hoffe, dass der Bezug auf eins
der Kissen passt und denke mir ihn für das blauer Zimmer
sehr nett. Es ist ein Indantrehn gefärbter
Seidenrupfen. Fürs Ottchen steckt was in dem Breslauer
Paket. Leider habe ich mir die Drucke nicht ansehen können
und will es in P[olkwitz] nachholen. Die Englein sind
wieder heil und sollen nur strahlende Gesichter unter dem
Christbaum sehen! Hört Ihr! Ja so ist es, Magda ist das
erste Mal nicht daheim und ich vielleicht das letzte! Am 3.
Feiertag geht es ins Gebirge - Wiesenbaude und nach Tschechien!
Dank komme ich zu Euch. Auch Euch werde ich manchmal denken,
wenn die Weihnachtslichter brennen. In Liebe Eure
Katz. Bildpostkarte:
mit Bleistift Keilbaude, Riesengebirge 29. 12. 27 An
Frau Reichsgerichtsrat Stölzel, Polkwitz, Kreis Glogau,
Schlesien Liebe Stölzels! Seit 3. Feiertag bin ich
unterwegs. Von Hirschberg sind wir nach Brückeberg
gefahren und dann nach der Wiesenbaude aufgestiegen, wo wir ein
Standflinger [?] erwischten. Gestern war es sehr
stürmisch und der Schnee arg verweht Heute ist gute Sicht
ins böhmische. - Kann ich gegen den 5./6. Zu Euch
kommen? [am Rand] Gutes neues Jahr. Eure Katz und
Ulrich Postkarte mit Stempel:
Schweidnitz 5. 2. 28 an Frau Magda Stölzel, Polkwitz,
Kreis Glogau Ihr Lieben! Ich hatte bis gestern Abend die
Absicht, heute Morgen nach Breslau zu fahren - aber ein
verkrazter Hals hat mir einen Strich durch meine Pläne
gemacht. Am Mittwoch musste ich in der Handferigung bei
Sägestaub und trockner Heizungsluft viel sprechen, seitdem
die Tage Vertretungen für die Gewerbelehrerein, da war's
halt mal wieder aus! - doch morgen kann ich Dienst tun - es ist
nicht so schlimm. Meine Gesangstunden bin ich los - dafür
habe ich von Ulrich eine Flöte (!!) geschenkt
bekommen - ja er will mir schon jetzt die Flötentöne
beibringen! Vorläufig klingen sie schauderhaft - Ich habe
mich über das Sticken der Handtücher gemacht - Käthe
hilft mir dabei. An Bilschowsky.[Geschäft in Breslau]
eben die Inletproben mit Mutters Absender geschickt.
Gretel M. [?] wollte ich persönlich gratulieren.
Mutter hatte 3.3, geschrieben, da war ich im Zweifel -
schrieb eben an sie. Flechbbl.[?] haben Zeit bis ich
heimkomme. Gratuliere zum Bescheid des Arztes! - Warum fährt
M[agda} nach Leipzig? [wegen Otto?] Doch nicht
über Ostern? Ist Otto zum Geschäftsführer
breitgeschlagen? - oder was gutes? Augenblicklich webe ich
wiedermal Kissenstreifen für U[lrich]. - er hat am
17.2. Geburtstag, schreibt ihm u. schickt ihm ein Ernstelbild,
darüber freut er sich sehr. Das "nutlige" hat
ihm gut gefallen - zu Otto also doch - steht darauf Zuchthaus!
- Dann kommst Du aber auch hinein von wegen des
Schneeballs und mit "Genuss". - Eine Siebenbürger
Spezialität, von der ihr auch abhaben solltet, haben wir
allein aufgefressen - auch Mutter sollte eine Kostprope haben -
sagt das "schwarze Bauernschwein"! Gruss K[äthe]
+ Ka[tz]. Brief
Schweidnitz, am 5. 3. 28 Liebe Magda! Es geht mir ebenso
wie Dir, an Dich denke ich sehr oft, aber zum Schreiben wirds
immer nicht. Nun wirst Du lachen, "aha, wenn man immerzu
an Ïhn schreiben muss" - Du, wir sind weiter brav und
schreiben nur 1x in der Woche - zwar dann auch ausgiebig. Denk
mal, der Arme war krank, wohl überarbeitet und dadurch
tagelang Kopfweh, und die Verdauung funktionierte nicht. Dabei
Fieber. Ich sorge mich etwas wegen des "Gedärms"
und wünschte, er ging mal zum Spezialisten. Mutter Gross
legt dem keinen Wert bei und schiebts auf die fette
holsteinsche Kost. Na damit hats nun bald ein Ende. Aus einer
Sommerarbeit in Bredstedt ist nichts geworden. Einesteils bin
ich froh, da sehen wir uns wahrscheinlich Ostern. - Das wie und
wo weiss ich noch nicht! Eine leise Hoffnung gebe ich auf die
Breslauer [Landwirtschafts-] Kammer. - Ach Magda,
manchmal denke ich, es könnte doch schneller gehen und bin
ganz traurig, bei diesen schlechten Aussichten für die
Landwirtschaft. - Du, ich werde wohl noch 1 Jahr hier Dienst
tun müssen - und bin so kribbelig schon jetzt. - Gelt,
bist nicht bös, dass ich Dirs schreibe - aber sonst kann
ich das doch niemandem sagen. Mir gehts
gesundheitlich gut, nun nachdem ich eine 4 wöchentliche
Zahnbehandlung hinter mir habe, sehr gut (wird schwere Gelder
kosten, futtere nun Kalgan [?] ) - Vor 3 Wochen war ich
zu Hause, wo mir Mutter von ihrer Sorge um mich sprach. Als ich
nach hier kam, fand ich Deinen Brief mit demselben Klagelied. -
Ich habe nun an Mutter geschrieben, und sie ist beruhigt. - Ihr
seid doch berechtigt, Euch über mich und solche Dinge
Sorgen zu machen. - Im Gegenteil, ich schone mich viel, denn
jetzt hat dies einen Sinn, und ich bins ja Ulrich schuldig. -
Die Arbeit in der Schule ist leidlich, da die Hohe immerzu
krank ist, jetzt hatte sie eine Unterleibsoperation. Doch am
24. ist Ausstellung, da gibt es wieder mehr zu tun. -
Augenblicklich nähe ich an einem selbst ausprobierten
Brusthalter, vorher an einem Kleid für Käthe [Gross],
das sehr hübsch geworden ist. Dann liegt all die Wäsche,
die ich im Ausverkauf bei Bielsch[kowsky] kaufte, zum
zeichnen. Das geht mir schlecht von der Hand. Du siehst, ich
leide nicht an Langeweile. Das Zusammenleben mit Käthe
ist weiter nett, sie bleibt noch bis zum August hier, und ich
bin froh nicht allein sein zu müssen. Jetzt hat sie gerade
freie Zeit an ihrer Arbeit, die sie zu ihrer Lehrbefähigung
braucht, zu sitzen. Das heisst, trotz dessen waren wir gestern
ein weites Stück draussen. Um die Talsperre herum. Sie
haben den Weg an den Felsen ausgebaut, da ist es ganz bequem.
Die Sonne schien direkt heiss auf den Berghang, unten das
Wasser war aber noch fest gefroren. Auf dem Heimweg haben wir
ein Lehrerehepaar aus Hausdorf angetroffen, die in den
Cronacherbund wollen. Sie hatten im Gaublättel Karls
Wohnungsveränderung gelesen und sich gemeldet. Der Boy
hatte ich ihn ihnen nicht genannt, weil er seine Heimatkunde
schlecht kennt und nicht wusste, das Schweidnitz so nahe bei
ist! - Es sind nette Leute, 3 Buben von 6 -1 1/2 Jahren! Die
Frau ist mir vor Wochen schon mal in der Eisenbahn als so nett
aufgefallen. Du, nun noch etwas, was Euch vielleicht komisch
vorkommen wird. Der Vater Gross will nun nach beinah 30
jähriger Arbeit in Sakro von dort fort. Er hat bis
Weihbnachten dort solchen Ärger gehabt. - Nun spracht Ihr
mal davon, dass Euer Pastor in die Nähe einer Schulstadt
wollte. - Wie wäre das mit einem Tausch? Ist die
Polkwitzer Gemeinde unter einem Patron oder nur dem städtischen
Kirchenrat? Denn die müssten doch den neuen Pfarrer
auswählen. - Aber lasst bei Eurem Pastor davon nichts
verlauten! - Ihr könnt mir gratuliere meine BO[?]
Ortsgruppe habe ich endlich begraben. Inge wollte mir einen
Landesverwaltungsposten andrehen, dafür habe ich aber
gedankt. - Nun ist Pfingsten die grosse Tagung von ganz
Deutschland in Breslau, da bin ich wieder nicht bei sondern auf
dem Bundestage! Hier hat das Kloster ein Kindergärtnerinnen
Seminar aufgemacht, nun werden wir noch weniger Schülerinnen
in die FHG [?] bekommen, na vielleicht erlebe ich noch
einen "rühmlichen" Untergang. Leid würde
mir das nur um meinen Kindergarten tun. Nun aber
genug von mir. - Wie habt Ihr diese feierlichen Einladungen
überstanden? - Ach, Ihr Armen, tatet mir sehr leid.
- Na, lass gut sein, jetzt geht es ja nach Leipzig, und der
kleine Pinscher darf mit. Lass ihn von der Grossmutter nicht zu
sehr verwöhnen. - Und das Ottchen weint Tränchen
daheim! Er soll sehen, dass er nach Treibnitz kommt, ist es
nicht am 23. (da ist unsere Ausstellung!), werde ich ihn dort
trösten. Auch damit er nicht wegen der Schwägerin
eifersüchtig wird. Oh, diese Männer sind sie
aufeinander und übers Kreuz eifersüchtig. [??] Ich
musste auch über mein "zartes Verhältnis"
zu Otto Bericht erstatten !!! - Fährt Otto nach zu Ostern?
Grüsse Mutter Stölzel und sage, dass es mir sehr gut
geht und ich nach ihrem weisen Rat mich nun auch in der
Kochkunst befleissige. Donnerwetter es ist höchste Zeit
zur Schule. Also schöne Tage und alles Gute. Eure
Katz. Postkarte [mit
Bleistift] 30. 6. 28 An Frau Amtsgerichtsrat Stölzel,
Polkwitz, Kreis Glogau Tausend gute Wünsche fürs
Bärbel! Und besonders der Mutter viel Glück! In
Liebe Eure Katz. Brief 1. 7. 28 Meine
liebe Magda! Ich male mir heute immer wieder aus, wie
strahlend Ihr mit Eurem Bärbel sein mögt. Du selbst
wirst zwar noch müde sein doch so froh und dankbar im Bett
liegen und Dich auf den Augenblick freuen, wo sie Dir das
Kleinchen bringen. Und der Vater wirds heute ja gar nicht
wissen, ob er mit seinem Jungen draussen tollen so, oder bei
dem Töchterle still bewundernd am Bettel sitzen. Was sagt
nur das Ernstel über das "Westerle"? Ich sehe
sein ungläubiges Lächeln noch, als ich ihn damals in
den leeren Wagen blicken liess und sagte "da Westerle"
- so als wollte er sagen "das ist aber eine komische
Geschichte". - Ich bin ja schon gespannt, wie er sich in
seiner neuen Beschützeraufgabe benimmt. Und noch mehr
gespannte wie das Bärbel aussieht. Hatte's schon Haare?
Hat es braune Augen? Hat es auch so lange Fingernägel
wie das Ernstel damals? Wie viel wiegt es? Trinkt es schon? -
Schreibt mir ja alles, denn bis ich hinkomme, ist doch wieder
alles anders! Na und die Grossmutter strahlt natürlich
auch. Sie läuft sicher voller Geschäftigkeit im Hause
herum. Wie gut, dass unsere Mutter tüchtig und noch so
rüstig ist. Sage ihr einen besonderen Gruss, und ich hoffe
ihr auch bald so eine Freude zu machen wie Du! Magda, ich
weiss noch wie das Ernstel gekommen war, wie ich damals voller
Verlangen an seinem Bettchen stand. Nun kann ich mich über
Dein Bärbel noch mehr freuen, hoffe ich doch auch einmal
solch ein kleines Wesen mein zu nennen. Die letzten 14 Tage
waren so voller Ereignisse, dass ich mich freue, dass nun
Ferien sind. Ihr habt schon recht, unsere Verlobung ist am
besten in den Ferien, in der Schulzeit wäre es eine
Anstrengung, dann die Gedanken auf den Dienst zu haben. - Du,
mein Ulrich ist nun auch sehr glücklich, nachdem seine
schwere Geburt zu Tage gekommen ist. Ja, es war ihm sehr
schwer. - Jetzt wo er die Stelle für den Winter hat, ist
von ihm eine grosse Sorge gewichen. Und ich kann wohl sagen,
dass wir uns jetzt erst der schönen Zeit freuen können.
Ach und es wird immer neues und immer schöner. Wie ich
schon an Mutter schrieb, will ich für einige Zeit nach
Sakro; nun schrieb Mutter Gross, dass sie viele leere
Weckgläser habe, dazu Überfluss an Obst und Gemüse,
ich soll das doch einwecken und gleich für unseren
Haushalt aufheben Das finde ich einen prächtigen Gedanken,
und ich will deshalb so zeitig wie möglich nach Sakro
fahren. Käthe sagt, dass die Mutter am 16. Juli Geburtstag
hat, drum dachte ich, sie da schon mit meinem Kommen zu
überraschen. Mutter soll sich mal dazu äussern.
Freilich wäre ich dadurch nur 5 Tage bei Euch, aber zum
Helfen braucht Ihr mich ja nicht und schliesslich ist die Ruhe
auch besser als Besuch. - Zugleich soll ich anfragen, ob
Gerhard [Hammer] am Anfang der Ferien - also so am
Sonnabend d. 8. oder Montag d. 10. für 8 Tage nach Sakro
kommen mag. Fährt er Sonnabend, kann er mit Ulrich über
Sonntag eine Radtour machen (Rad mitnehmen). Freilich
müsste er sichs überlegen, denn angestellt wird er -
wohl im Garten am meisten. Schreibt mir bald Bescheid. Gerd
fragte ich auch schon auf einer Karte an. Ich fahre am
Donnerstag nach Breslau. - Eben habe ich aus Langenbielau den
Stoff bestellt, den ich nach Breslau schicken lasse. Für
Mutter Gross Stoff zu 4 Überschlaglaken, die sie Ulrich
mitgeben will. Erst wollte sie ihm 3x zu beziehen mitgeben, da
habe ich aber gesagt, dass ich vorläufig genug Bezüge
habe und lieber die Stepplaken brauche. - Du siehst sie sind
praktisch und besorgt. Ich werde mal eine Liste aufstellen, was
ich noch alles brauchen kann, da kann unsere Mutter das an alle
Anfrager weitergeben. Zum Schluss Euch allen sehr viele
Grüsse und in 10 Tagen komme ich mir das Polkwitzer Glück
besehen, aber nur wenn es Dir nicht zu viel wird, das musst Du
gleich ehrlich schreiben. In Liebe Eure Katz Wie waren
Arzt und Hebamme? Was sagen die Stölzel
Eltern?
|
Verlobungsanzeige
(Zeitung) [ohne Datum! ~10. 8. 28} Briefkarte
Schweidnitz, 5. 9. 28 Meine verehrte, liebe Stölzel
Mutter! Zur Verlobung hast Du so lieb an uns gedacht und mir
dies reizende Deckchen und Taschentuch geschickt, habe rechten
Dank! Weisst Du, ich freue mich schon, wenn ich mal mit Dir
über meinen Ulrich plaudern kann, Du kennst ihn ja durch
Frau Schellers Erzählungen auch schon etwas. Wir hatten es
jetzt arg gut, erst war ich in Sakro mit ihm zusammen und nun
drei Sonntage teils in Breslau, teils im Riesengebirge. Sie
[die Schwiegereltern] sind alle in Johannisbad. In den
Ferien habe ich [in Sakro] tüchtig in der Küche
und im Garten geholfen., eingekocht u. s. w. Es ist gut, dass
wir so oft Ferien haben, da kann ichs doch etwas nebenbei, denn
bis zum Heiraten muss ich noch viel verdienen, um alles recht
nett anschaffen zu können. Es macht ja so viel Freude,
wenn immer ein Stück zum anderen kommt, und ich komme mir
schon recht reich vor mit meinen Schätzen. - Nun hast Du
bei den Enkelchen eine schöne Zeit vor Dir. Hoffentlich
fühlst Du Dich wohl, dass Du sie recht geniessen kannst.
Eine recht schöne Zeit wünsch ich Dir und den
Polkwitzern! Es grüsst Dich Deine Käthe
Hammer
Postkarte An
Herrn Amtsgerichtsrat Stölzel, Buchwald bei
Schmiedeberg/Schlesien, Heilstätte [Anmerkung: Otto
lag mit Tbc in der Heilstätte]
Mein liebes
Ottchen! Sakro 21. 7. 29 Einen Gruss aus meinen Ferien. Ich
habe anfangs in Breslau Ausstattung gerichtet, nun bin ich hier
bei den Schwiegereltern bis Freitag. Also am 1. Oktober soll
die Hochzeit sein, sieh dass Du bis dann wieder ganz auf der
Höhe bist, wir brauchen Dich als Vergnügungsrat. Im
übrigen ist die neue Familie sehr gespannt auf Dich. -
Hoffentlich kuriert Dich die Sonne nun ganz aus, aber werde
nicht noch dicker, sonst passt der schwarze Anzug dann nicht
mehr! Du, ich war beim PSK [?] wegen meiner Abfindung und
habe festgestellt, dass noch keinen neue Verfügung da ist
und sie nachzahlen wie vor Ostern. Nun konnten sie aber den
Paragraphen nicht finden, der besagt, dass auch nicht
Angestellte abgefunden werden können. Weisst Du noch
auswendig, wo Du den betreffenden Absatz fandest? Ich wüsste
es gern bald und kann erst in Schweidnitz nachsehen. Schreibe
mir Antwort nach Breslau. Schöne Grüsse
Deine Katz. Brief
meines Vaters [Briefkopf Stempel] Waldenburg in
Schlesien, Albertstrasse 14/1, Fernsprecher[!] 1821 19.
8 .29 Liebe Magda! Katz schrieb mir, dass Ihr die Absicht
hättet, mir die Patenschaft bei eurer Jüngsten
[Brigitte] anzutragen. Nachdem ich ihr entsprechend
geantwortet habe, möchte ich auch Euch (an Otto schreibe
ich heute besonders) sagen, dass ich mich sehr über diesen
Vorschlag gefreut habe. Umsomehr als mir Katz sagte, dass Ihr
die Taufe mit unserer Hochzeit verbinden würdet. Schreibt
nur bitte an meinen Vater (Sakro, Forst, Lausitz Land), falls
er die Taufe übernehmen soll. Er kommt in den nächsten
Tagen vom Urlaub zurück. Gestern zeigte man mir in
Breslau Deinen Brief betr. Katzens Krankheit. Liebe Magda, ich
muss Dir mal mein Herz ausschütten. Vielleicht kannst Du
mir raten. Ich weiss wohl, dass Du Kummer hast, aber
schliesslich musst Du doch auch wissen, was los ist. In
Breslau wird das nie wieder in Ordnung kommen, und einen
anderen Weg weiss ich nicht. Es ist lieb von Dir, dass Du Katz
eingeladen hast, aber eine Lösung bringt das auch nicht.
Die Nervenentzündung ist eine völlig veraltete Sache
und läuft bestimmt schon seit1-1/2 Jahren. Fraglos wird K.
jetzt allmählich wieder frischer, aber es kann noch lange
dauern; beim Gehen hat sie sofort wieder böse Schmerzen.
Trotzdem murkst sie natürlich dauernd herum, weil die gute
Mutter (mit vollstem Recht) über Überlastung klagt.
Viel schlimmer als die körperliche scheint mir die
seelische Seite der Angelegenheit. K. sehnt sich danach, in
diesen letzten Wochen, ihrer Mutter etwas näher zu kommen,
und das will nicht gelingen. Ich bin gewiss weit davon
entfernt, Eurer lieben Mutter irgendwelche Vorwürfe zu
machen. Aber ich muss ja selber sehen, wie sie öfters
daneben greift und durch erziehendes Verulken helfen will, wo
es doch bei K.'s jetzigem Zustand für solche Experimente
viel zu spät ist. Im Gegenteil: sie fühlt sich nur
ungerecht und lieblos behandelt und ärgert sich dann
wieder darüber, dass sie es so empfindet. Ich sehe wohl
die Mutter tut das, weil sie selber überarbeitet ist und
darum K. nicht genügend beobachtet und dann weil sie
infolge des ständigen Zusammenseins sich an K.'s Zustand
zu sehr gewöhnt hat. Noch eins, verzeih! Sie ist mit ihren
Gedanken mehr bei Dir als in Breslau, und das ist nicht immer
gut. Wollte Gott, dass daraus nicht einmal eine Spannung
zwischen Euch Schwestern entsteht. Ich weiss nicht, was ich
da tun soll, ausser dass ich mich bemühe, Katz gut zu
zureden, sie zu trösten und ihr alles im Guten zu
erklären. Der Mutter darf ichs doch nicht sagen, sonst
wird's nur schlimmer. Ich wünschte, wir wären über
das nächst Vierteljahr gut hinweg. Nun, mit Gottes Hilfe
wird auch das werden. Er wird Euch auch helfen. Verzeih mir
diesen Brief. Ich hielt es aber für nötig, dass Du
klar siehst. - Es grüsst Dich herzlichst Dein Ulrich
G. [Brief mir Schreibmaschine geschrieben:] Lieber
0tto ! Besten. Dank für Deinen Brief mit der
Besprechung unserer Bücher. So gut es in der Eile geht
möchte ich darauf ganz kurz antworten. .. Aereboe.
Ich halte A. für eine Art Manchestermann. Du meinst mit
"liberal" offenbar das Gleiche. Bei seinen
zahlreichen Gegnern ist er der "rote" Aereboe. Es ist
wahr, daß er parteipolitisch ziemlich weit links steht;
daher auch seine Vorliebe für Dr. Baade, den
Agrarpolitiker der S.P.D. und jetzigen Leiter des
Reichsinstituts für Konjunkturforschung. (Diesem Herrn
habe ich übrigens auch meine Arbeit geschickt.) Ich sehe
zwischen liberal-manchesterlich und sozialdemokratisch auch
keinen praktisch-politischen Widerspruch. Obwohl Aereboe in
seiner Wirtschaftsgesinnung so ungefähr das Gegenteil von
sozialistisch ist. - Ich kann mich nicht erinnern, daß er
den Fortschritt das Heii der Welt genannt hätte. Wenn er
die besten Verdiener für die besten Menschen hält, so
ist das nicht moralisch, sondern vom Leistungsprinzip her zu
verstehen. Daher auch A. s Vorliebe für die amerikanische
Wirtschaft. .- Ich wußte noch nicht, daß A.
Mitgründer der Staatspartei ist. Zuzutrauen wäre es
ihm schon. Aber sage ja nicht einmal einem Jungdo-Manne , seine
Partei sei liberal! Winnig. Daß er kein Führer
ist, ergibt sich schon aus der Tatsache, daß er kein
nennenswertes Gefolge hat. Auf politischem Gebiet muß man
das doch wohl verlangen. Meine Meinung über das Buch steht
in einem der letzten Bundeshefte. .- Ich habe das Buch jetzt
nicht mehr so im Gedächtnis, um eine Wertung über W.s
Nationalismus abgeben zu können. Immerhin hat er ihn als
Arbeitersohn und langjähriger Maurer schwerlich in der
Schule gelernt. Es ist mir nicht klar, was Du unter
"Blut-ond-Boden-Materialismus" verstehst. Im
Gegensatz dazu schreibst Du von "selbständigen
geistigen Kräften". Mir kommt diese scharfe Trennung
etwas sehr theoretisch vor. Geistige Kräfte, die von der
Materie wirklich unabhängig sind (besser gesagt
losgelöst), kenne ich nicht. Sollten sie vorhanden sein
(den Gottesbegriff meinst Du offenbar nicht ?) , so
interessieren sie mich allerdings herzlich wenig, weil sie
keine Wirkung haben können. - Ich würde mich wirklich
ehrlich freuen, wenn Du Dich über diese Dinge ("es
ist gleich, ob 'Blut und Boden' oder Wirtschaft die treibende
Kraft sind" ) mal eingehender äußern würdest.
Meine Zeit ist leider Gottes so knapp, daß ich nicht mit
einem Aufsatz über diese Dinge anfangen kann. Wenn Du das
tätest, so hätte ich aber die Möglichkeit, Punkt
für Punkt Stellung zu nehmen. Das ist leichter und geht
schneller. Jürnjakob Swehn. Ich schätze an
dem Buche nicht so sehr den Inhalt, als vielmehr die Sprache
und vor allem den Menschentyp, der dahinter steht. Beides ist
so niederdeutsch wie nur was. Meine nordfriesischen
Bauernjungens kannten großenteils das Buch aus der Schule
und waren begeistert davon. Der Schluß ist psychologisch
ganz interessant, praktisch-politisch natürlich nicht.
Thieß. Über die Unanständigkeit habe
ich mich weiter nicht gewundert. Mein Urteil ist: Dekadent bis
dort hinaus. Kennzeichnend ist schon, daß der Verfasser
mit den Kindern nichts anzufangen weiß. Die "geistige"
Verbrämung ist nichts als Bluff. Stellenweis ziemlicher
Kitsch, Aufruf der Konservativen Partei.
Parteiaufrufe haben mir noch nie gefallen. Sie sind alle gleich
schön und gleich inhaltlos. Wenn ich wähle, so wähle
ich den oder die Parteiführer, aber nie das Programm, das
Ziel oder die "Idee". Wenn mir der Mann nicht sicher
ist, wenn ich zu seinem Verstand und seinem Willen kein
Zutrauen habe, wie kann ich an die Parteiideale glauben ?
Ideale sind mir überhaupt stets sehr verdächtig. Also
hoffentlich recht bald auf Wiederhören (-lesen)! Dein
Ulrich [Zusatz meiner Mutter] Dem entsagenden Otto
schönen Dank, dass er seine Magda und Bärbel zu uns
geschickt hat. Wir werden beide bestens behandeln und
wohlerhalten zurücksenden. Deine Katz Hochzeit:
Breslau, 1. Oktober 1929 Brief.
[Ohne Datum] Dresden, Mittwoch früh [~5. Oktober
29] [Die Stölzel Schwiegereltern von Magda wohnten in
Leipzig. Vater Stölzel war Reichsgerichtsrat am deutschen
Reichsgericht dort. Nach seiner Pensionierung zogen sie nach
Gelnhausen] Meine liebe Mutter! Hoffentlich hast Du
aus meiner Schweigsamkeit entnommen, dass es uns gut geht. Wir
waren bis Montag früh in Hahn[?] und sind nun hier
bis übermorgen in Dresden. Tante Hanna [Mirus?]
wies uns nach dem christlichen Familien Hospiz ganz nahe dem
Hauptbahnhof. Dieser ist ganz neu erbaut mit allen
Bequemlichkeiten. So haben wir [ein] Bad direkt am
Zimmer und geniessen es nach Herzenslust. Ich kann mirs seit
gestern auch wieder leisten. Das klingt beinahe triumphierend.
[Am Rand: Sie musste es dem Vater Gross auch mitteilen,
er hat zu Mutter gesagt - "ach, hoffentlich kommt
das Kind nicht vor 9 Monaten", - allerhand nicht!! Das ist
den beiden aber recht!! - [Meine Mutter war vor der Hochzeit
schwanger geworden! Das Kind wurde tot geboren.] In Hahn
habe ich beide Nachmittage gelegen, da ist alles gut
vorübergegangen. - So, nun mal der Reihe nach. In
Waldenburg kamen wir gut an und fanden gleich ein Auto, das uns
zur Wohnung brachte. Von Hirschs hatten eine Blume hingestellt,
und es war alles schon sehr schön bei uns. Am nächsten
Morgen wurden wir von einem eigenartigen Geratter und Gepolter
geweckt. Die Nähmaschine und die Schweidnitzer Sachen
kamen. Da gab es gleich auspacken. Nach dem Mittagessen haben
wir in Ulrichs Wohnung alles zusammengepackt, es sind noch mal
2 Körbe voll. Na ich werds schon unterbringen. - Mit dem
Kochen habe ich mich noch nicht betätigt. - Doch Setzei
zum Abendbrot. - Der Gasherd kam auch und der richtige
Teppich, der sehr gut aussieht. Letzterer traf ein, als Mutter
Gross da war. Die hat ihn gleich ausgepackt und aufgelegt. Die
Wohnung hat ihr sehr gefallen, sie fand diese gar nicht so
klein. Ulrich nahm ein Auto, und wir fuhren durch den ganzen
Kreis. Dittersbach, Langenwaltersdorf, Britzengrund, zurück
Reimswaldau, Reimsbach, rauf nach der Grenzbaude bei
Wüstegiersdorf und über Reustendorf nach Hause, d. h.
zum Bahnhof Dittersbach, von dem Mutter um 1/2-sieben nach
Hirschberg abfuhr. - Es war prächtiger Sonnenschein, und
die Hänge mit dem Herbstlaub sahen ganz golden aus. Wenn
Du kommst fahren wir auch durch die Gegend. Dich wird es noch
mehr freuen, wo Du alles so kennst. Hier in Dresden essen
wir in der Bärenschenke - so Schweidnitzer Keller - gut,
reichliche Hausmannskost und billig. - Kennt sie der Dicke
[Otto] nicht auch? Besehen haben wir uns die Gemälde
Gallerie. Ottchen und Magda lass ich sagen, dass ich den
denkwürdigen Prellstein auch schon aufsuchte aber diesmal
keine Tränen vergoss. Wie mag es bei Euch sein? Heute
Nacht habe ich schon vom Ernstel geträumt, der
Bauchschmerzen hatte und dem ich eine Bauchbinde stricken
sollte. Er kam verschlafen, quärrend aus unserer Salontür.
- Sind die Kinder da gewesen? Wie ist alles verlaufen? Wie ging
es Magda in Buchwald? Was macht der Otto? - Wie geht es Euch?
Hat Hans schon eine Antwort? Wann sind die Verwandten gereist?
Schreibe uns bald nach Sakro, am Sonntag sind wir dort. - Und
dann schicke die Hochzeitsgeschenke Anfang der neuen Woche ab.
Wir wollen gegen den 15.-18. [Oktober] schon wieder nach
Hause und uns zusammen noch alles schön machen. [der
Rest mit Bleistift] und dann kommt bald mal auf
Sonntagskarte zu Besuch Euch alle Schönheiten
ansehen. Gestern Abend haben wir die Karten geschrieben. Auf
inliegenden schreibe noch die genaue Anschrift. An folgende,
die gratulierten, haben wir noch nicht geschickt, weil ich
dachte, Du machst es auch: Hämisch, Heilmann, Pfiffer,
Koch, Reetz, Schuster Hoffmann, Magill, Steinhäuser,
Blumen Heinrich. An diejenigen, die etwas schenkten, schreiben
wir noch eine Karte von hier. Wer beteiligte sich an dem
Gasherd? "Soo, - jetzt wird gegessen," sagt mein
Mann, da muss ich wohl gehorchen. Es ist auch 1/2 elf, da hab
ich Hunger. Dein Kind. [Zusatz von Ulrich] Du
siehst, wie wir es so herrlich weit gebracht. - In diesem Sinne
grüsst Ulrich Mit der
Maschine geschriebener Brief Grünberg, 24. 11. 1929
|
[Planzeichnung
der Wohnung] Lieber Otto, liebe Magda! Schon lange
werdet Ihr auf nähere Nachricht von uns warten. Aber ich
hatte noch immer mit Einrichten zu tun, dass ich zu keiner
Schreiberei kam - drum heute erst einen Bericht. Zur
Veranschaulichung habe ich unsere Wohnung aufgemalt und die
Möbel eingezeichnet. Die Schalfstube ist recht klein, aber
gegen Waldenburg eine grosse Verbesserung, können wir doch
alle Kleider und Wäsche unterbringen. Neben dem Ofen steht
der Wäscheschrank aus Sakro, an der Längswand, den
Betten gegenüber unsere beiden Kleiderschränke.
Gemütlich ist da meinen Nähecke am Fenster mit der
neuen Maschine und dem Flickständer. Zu Ulrichs Leidwesen
habe ich eine Mullgardine ans Fenster gehängt, er war halt
nur fürs Sachliche, ich auch fürs Schöne.
Gegenüber kann uns weder hinten noch vorn in die Fenster
gucken. Es liegen da ganz kleine Häuschen, deren es in
Grünberg noch unzählige gibt. Das an der Hinterfront
ist wegen seiner Baufälligkeit nicht bewohnt - es hat ein
wunderbares Dach mit 2 Querfalten und ganz schiefem Gebälk,
die Sonne schillert in allen Farben auf ihm, wenn ich mal Zeit
habe, werde ich es mal zeichnen. Seitlich steht die Gasanstalt,
die manchmal ein wenig stänkert, dafür ist aber der
Gasdruck ausgezeichnet. Ich kann 3 Flammen und den Ofen
anstellen und alle brennen herrlich. Ebenso bin ich mit den
Öfen sehr zufrieden, d. h., den in der Küche habe ich
noch nicht gefeuert. Ich mache jetzt immer in der Schlafstube
zuerst an und trage dann die Glut nach der Wohnstube. Auf einem
Dicken Scheit Holz (noch Verschlaglatten) brennt es sehr schön.
Am ersten Tag hättet Ihr das Feuermachen miterleben
sollen. Wir sassen vor dem Ofenloch, aber erst nach einer Sunde
kam die Geschichte richtig in Gang. - In der Küche ist
das Fenster besonders praktisch, es ist in Schulterhöhe
geteilt, sodass man den oberen Flügel öffen kann,
während unten auf dem Fensterbrett alles liegen bleiben
kann. In der Füllung habe ich schon eine Speisekammer
eingerichtet. Seit dieser Woche haben wir solche Truhenbank wie
Stölzels und uns eine Wohnküchenecke eingerichtet.
Die Wohnstube ist sehr gemütlich, die Chaise am Ofen ist
so warm, da habe ich sogar warme Füsse. Im Sommer werden
wir den Balkon geniessen können. Er ist so gross, dass man
an einem runden Tisch ringsum sitzen kann. Sonne hat man den
ganzen Vormittag. Der Blick geht auf den Marktplatz mit einer
alten Fachwerkkirche in dem Stil der in Schweidnitz. Sie ist
innen aber nicht so reich. Am Markttag stehen unzählige
Buden eng aneinander, Fleisch- Gemüse- und Buttermarkt
sind auf getrennten Abschnitten; der Platz ist nämlich
nicht viereckig sondern hat mehrere Ausbuchtungen, von denen
nach allen Richtungen kleine Gässchen führen. So kann
ich direkt auf unser Haus zu solch eines benutzen. Ein
Strassenviertel weiter kommt man zum Ring. Der hat ein altes
Rathaus, was sie sehr hübsch grün und gelb angemalt
haben. Im Gegensatz zum Amtsgericht, das in den blutigsten
Farben prangt und einen Kasernenbaustil aufweist. Vom Ring geht
ein grosse Strasse etwa 10 Minuten weit zum Bahnhof, die hat
vollkommenen Grossstadtcharakter: viel Verkehr, grosse Häuser
und Geschäfte, Lichtreklame und einen Schupo mit
zeigenden, weissen Handschuhen! Was will man mehr! - Ringsum
ist das Strassenbild ungleich, kleine Häuschen daneben
Umbauten und ganz geschmackvolle Neubauten (wie unser Haus
auch). Die Stadt scheint ordentliche Bauzuschüsse zu
geben. Nun noch etwas von der Umgebung. Es ist ein hügliges
Land. Die Erhebungen aber so schwach, das es mit
Schneeschuhlaufen Essig sein wird. Es ist viel Wald in der
Nähe, viel Kiefern und Birken - Sandboden. Auf den
Hügelchen stehen kleine Winzerhäuschen, so im Stil
eines Gartenpavillons. Von den Anpflanzungen sieht man ja jetzt
nur ein paar Stützprügel, die in gleichen Abständen
in der Erde stecken. Man erzählt von dem alljährlichen
Winzer-Volksfest, das auf dem Markt gefeiert wird, auf dem
grosse Zelte aufgeschlagen sind, in denen die ehrbaren Bürger
bis zum frühen Morgen zechen. - Aber wir haben schon
alkoholfreien Saft ausfindig gemacht, der ebensogut schmeckt
wie der zu unserer Hochzeit[!]. Als wir neulich den
ersten Kronaischen Besuch hatten, haben wir ihn
ausprobiert. Nun muss ich Schluss machen, es ist schon spät
und sonst bleibt mir für das nächste Mal kein Stoff
mehr. - Schicke doch den Brief an Magda weiter und sage
ihr, sie soll recht bald mal zu uns kommen, eine Kofferschale
fürs "Brigittel" haben wir und eine Schlafstatt
für sie selber auch. Und im Sommer kommst Du zu uns und
kannst Dich auf unserem, Balkon aalen und mich dabei
ärgern. Euch beiden schöne Grüsse Eure
Katz [Handgeschriebener Bleistiftzusatz meines Vaters]
Schönste Grüsse auch von mir und ausserdem 2
Bilder, die Ihr angeblich noch nicht habt. - Katz lernt jetzt
mit Macht Flöte blasen, und ich soll dann nach ihrer
Pfeife tanzen. Diesen Stift schenkte mir Magnus Weidemann von
der weiland Schönheit. Er hatte damit seine Molly
gezeichnet! [Kommentar meiner Mutter] das schwarze am
Nabel!!
Postkarte
Absender: Käthe Gross [Vaters Schwester]
Gnadenfrei/ Maidhof An Herrn Amtsgerichtsrat Stölzel,
Heilstätte Buchwald, Post Hohenwiese/Riesengebirge
Lieber Otto! Gnadenfrei, d. 27.1. 30 abends Nun wird's
doch noch mit meinem Besuch werden wenn auch nur mit einem
kurzen. Ich schreibe schon jetzt, damit Du mir Nachricht geben
kannst, ob es Dir passt und so recht ist. Am 6. 2., Donnerstag,
gehe ich von hier weg und will dann über Hirschberg
fahren. Dann bin ich um 10:39 in Schmiedeberg und würde
14:45 dort wieder abfahren. Ich freue mich schon sehr über
diesen Plan und hoffe, dass er Dir recht ist. Du gibst mir wohl
kurz vor dem 6. Bescheid, ob ich's so machen kann. - Gestern
war ich mit "meinem" Gerhard bei Hammers und traf
dort Katz, Magda und die Kinder. Brigittel hat sich seit der
Taufe ja mächtig entwickelt und ist so ein lieber Kerl.
Bärbel scheint mir der Vater zu sein. Nun sei recht
herzlich gegrüsst Von Deiner Käthe
Gross Mit der
Maschine geschriebener Brief Grünberg, 20. 2. 30 Liebes
Ottchen! Bescheiden an der Schreibtischecke sitzend, muss
ich an Dich tippe! Ja sogeht es einem armen unterdrückten
Eheweib. Also, wenn die Buchstaben davon laufen, liegt es an
der wackligen Unterlage. Der Beweggrund unseres Schreibens
ist, dass wir inliegendes Jahrbuch doppelt erhielten und Dir
das eine abtreten, hast Du's gelesen, verschenke es doch. Wir
haben bewegte Tage hinter uns. Die Sakroer waren allesamt zu
Besuch, das ist bei der kleinen Wohnung und meinen kleinen
Kochkünsten immer etwas aufregend. Aber sie wurden alle
satt! Dafür habe ich mich in Breslau recht geaalt, so frei
von allen Wirtschaftsnöten. Da war ich wieder mal
Kindertante und habe mit Deinen Gören rumgetobt. Am
liebsten war mir das Ernstel auf der Bahn. Er beobachtet
scharf. Eine Windmühle entdeckte er, "wie in Polk."
stellte er befriedigt fest. Nach einiger Zeit sah er wieder
eine. Und kurz vor Raudten, es war schon recht dunkel, rief er:
"Da ist wieder eine. Drei, grade wie in Polk" - Ich
war erstaunt, dass er in diesen Abständen sich das so
behalten hat und zählen konnte. - - Bärbel pussierte
jeden im Abteil so lange, bis sie angelacht wurde, aber wollte
sie jemand anfassen, machte sie entschlossen kehrt! Ulrich
hat noch einige Bücher, die schicke gelegentlich wieder.
Willst Du mal unseren Katalog geborgt haben, um Dir
Begehrenswertes herauszusuchen? - - Wir kommen leider wenig zum
Lesen, weil es meist 9 Uhr ist, wenn wir fertig sind, da
kringle ich mich meistens auf der Chaise zusammen und schlafe
schon eine Runde, bis mich Ulrich energisch ins Bett
verfrachtet. Bei uns geht es aber schon um 1/2 sieben früh
aus der Falle. Nun gute Nacht - - die Augen fallen schon
zu. Deine Katz. Käthens Hochzeit ist am 9. 3. 30!
[Bleistiftzusatz meines Vaters] Der grösste
Teil entstand aber auf meinem "Schreibplatz"! Auch
von mir herzliche Grüsse! U. Mit
der Maschine geschriebener Brief Grünberg, 25. 2.
1930 Lieber Otto! Heute bekommst Du schon wieder einen
Brief von mir. - Ja staune nur! Ich möchte Dich heute um
Deinen künstlerischen Beistand bitten. Wir wollen zu
Käthes Polterabend eine Bänkelgesang anstellen. Nun
habe ich den Stoff zusammengestellt, komm mit der Reimerei aber
nicht zu Stande, würdest Du mir dabei helfen? Wenn Du
keine Lust hast, oder es Dir zu anstrengend ist, schicke mir
den ganzen Plumpatsch wieder zurück, ich lege einen
fertigen Umschlag bei. - - Mein Ulrich ist unfähig
dazu. Also höre: Es stehen zur Verfügung: Ulrich
als Flötenspieler und Schnellmaler, der die Bilder vor den
Zuschauern malen will. Karl Vogt als Geiger - - Es könnte
also melodramatisch vor sich gehen. Gerd als Direktor, der
den Spass dabei machen soll, z. B. zeigen auf die Bilder. Ich
als Bänkelsängerin die wie auf dem Jahrmarkt Deine
Verse mit viel Pathos hersagt, zum Teil mit singender
Stimme Also diese Truppe, etwas spassig zurechtgemacht,
klingelt an der Haustür und bietet ihre Künste an.
Dann stellt der Direktor seine Truppe vor. Danach könnten
Ulrich und Karle etwas spielen, vielleicht "Hindemith",
das ist so etwas verdreht.[sic!] Dann soll der
Bänkelsang kommen, dazu die Bilder gezeichnet werden. Man
könnte noch irgend eine passende Musik einschieben, z.B.
bei dem Seebild: "Ës murmeln die Wellen". Wir
brauchen die Sachen spätestens am 7.3. ------ Es ist
hier bei uns sehr interessant. - Ulrich hat in derselben Stube
mit einigen "Knaben" Anstandsunterricht. Ich muss
dabei immer mal als Dame fungieren. - Am kommenden Freitag ist
Schülerfest, da wollen sie möglichst viel Weisheit
sammeln. Nun schönen Gruss und Dank! --- Deine
Katz [handschriftlicher Zusatz] Desgl. Von mir
U. Brief [Grünberg] 2. Mai, 30 Meine
liebe Mutter! Diesmal muss ich schon Freitag Abend
schreiben, damit Ihr Sonntag Post habt, wenn ich meine Briefe
erst Sonnabend Mittag einstecke, wie das letzte Mal, scheint
dies nicht zu klappen. Wir haben einige unternehmende und
auch einige arbeitsreiche Tage hinter uns. Am Sonntag waren wir
von früh 6 Uhr bis mittags gegen 2 Uhr unterwegs. Es hatte
am Abend vorher tüchtig gewittert, da war es ein kühler
aber ganz klarer Morgen. In einem ganz unbegangenen, beinahe
urwaldmässigen Birkenwald stöberten wir um 1/2 acht
noch alles Getier auf, d.h. eigentlich war es recht zahm. Rehe,
Hasen lugten uns gross an und gingen gemächlich davon. 1
Eule und Fasanen schrien und allerlei Vogelgezwitscher. So
gelangten wir zu einer Wassermühle, wo Ulrich dienstlich
zu tun hatte. Dort wurden wir reichhaltig bewirtet. Gegen
Mittag gingen wir durch die neuen Siedlungen (ein grosses
Rittergut ist dort versiedelt [worden]) von meistens
posenschen Rücksiedlern. Es war recht interessant, wie sie
dort teils alte Gebäude verwandt hatten. So aus einem
gewölbten hohen Schafstall, Wohnung (lustig bunt angemalt)
Futter- und Waschküche, Stall und Scheune gebaut. Die
Leute sassen erst 1/2 Jahr auf ihrem Hof, und es ging knapp und
ärmlich zu, weil sie alle an den hohen Siedlungsraten zu
knappen haben. _ So war es ein schöner Tag - ja 2 Störche
haben wir auf einem Weidenbaum, der auf einem alten Friedhof
stand, beobachtet. Der Papa benützte als Anflusgplatz
immer einen besonders hohen Grabstein, vor dem er die
merkwürdigsten, dienernde Bewegungen machte. - Das
Mittagessen hatte ich vorgekocht, so war es, da Ulrich Tisch
deckte, in 1/4 Stunde fertig. - In der Woche bin ich täglich
bis auf den gestrigen Waschtag, 3 Stunden nähen gegangen.
Erst dachte ich, es würde mir etwas viel werden, weil ich
mich nun recht sputen muss. Aber es machte mir garnichts, und
ich habe viel Spass, auch ist die in Alter und Stand ganz
gemischte Gesellschaft von etwa 15-20 "Damen!" ganz
unterhaltsam. - Wir haben ein Musterbuch in der Woche gemacht
mit Kappnähten, Säumern, Hohlnaht, Bandbesatz,
Kräusler, Schnuraufleger u.s.f. Zu allem gibt es
verschiedene Füsschen [für die Maschine], mit
denen wird alles ganz genau, und es geht so fix. Ich bin schon
begierig, Dir alles vorzuführen. - Gerade jetzt bei dem
Kleinnähzeug werde ich alles gut brauchen können. Am
Montag soll ich lernen eine Steppdecke zu wattieren und zu
nähen. - Damit Du auch etwas an meiner Freude "teilnehmen"
kannst, lege ich Dir einen Einfädler bei! Die Wäsche
ist glatt verlaufen, das nächste Mal kommt die andere
Frau. Die grossen Stücke habe ich heute auf dem Balkon
gebleicht. Es können 1 Bettlaken und 1 grosses Tischtuch
in 1 Breite hängen. - Morgen habe ich Stiefmütterchen
zum Bepflanzen. Die Schwiegermutter hat uns einen alten Tisch
für den Balkon geschickt, ausserdem Eingewecktes und drei
Steckkissenbezüge von Ulrich, bei denen ich das
altmodische Gebändle abtrennen kann. Sie will mit Vater
und den Jungfern am 18.5. Berthes besuchen kommen. Von einem
Ereignis, das uns grosse Erleichterung verschaffte, muss ich
Dir auch erzählen. Ulrichs Dezernent war am Donnerstag
hier in der Gartenbauschule und bestellte Ulrich telephonisch
dort hin. Er sagte ihm, dass er Ulrichs Schwierigkeiten hier
wohl einsehe, weil er den Chef kennt. Er habe mit diesem
gesprochen, wie er Ul. Einen selbständigen Bezirk zuteilen
sollte u.s.f. Versetzen könnte er Ul. Vorläufig
nicht, aber er sollte sich trösten, wo anders wäre es
halt in anderer Weise auch nicht besser. Somit hat der Herr
also doch Verständnis gezeigt und mein Männchen ist
wieder froher seit dem an der Arbeit. Nun zu unser
Urlaubsfrage. Wir wollen von Pfingsten bis zum 1. Juli in
Urlaub gehen, damit ich auch noch was davon habe. Es soll nach
Sylt [gehen], wo wir mit einigen Bauerndörfern
bereits verhandeln. Ul. hat frühere Schüler dort.
Damit die Reise nicht so lange hintereinander geht, wollen wir
bei Kaschners und in Bodenstedt Station machen. Nun bitte ich
Dich sehr, doch vor Pfingsten, etwa von Himmelfahrt an
zu uns zu kommen. Du sollst hier etwas von der Gegend sehen mal
mit über Land. Und dann hätte ich auch gern Deinen
Rat bei dem Seidenkleide. - Meine arme Magda, könnte ich
ihr doch etwas von meinen Freuden jetzt abgeben. Ich hätte
sie so gerne mal bei mir, damit sie Spass hätte. Jetzt
wird es Otto hoffentlich auch wärmer haben. Ob er nicht
etwas aufstehen kann. - Wir schickten ihm 1 55-10 Pfund Bücher
in der vergangenen Woche. Ohne Zoll, aber umständlich
durch die vielen Formulare. Tante [Gretel] lass ich
sehr für ihre Lauferei danken. Da ist halt nur die
Möglichkeit, dass Du das Glas nach hier wieder mitbringst,
und wir es nach Josephienhütte direkt einschicken Die
von Edith empfohlene FH Schülerin ist eine von den nicht
zu unterscheidenden Zwillingen, ein sehr stilles Mädel.
Edith soll mir mal schreiben was die einzelnen Mädels
angefangen haben und wies im Damm[?] ist. [Am
Rand] Inliegend der Bestellzettel. Die Reformnummer[?]
bekommst Du vielleicht in der Talysia gegenüber Lindemann
oder bei der May. Die Preise sind hier fast alle höher,
drum besorge mit bitte bei Leitsch, und lass es von
ihnen nach hier direkt schicken. Legt das Steckkissen wieder
bei. Ich überweise 50 M[ark], die mir Ul. eben
dafür bewilligte. - Fr. Staudinger schrieb mir eine
Erwiderungskarte, sie kann fast gar nicht mehr gehen, u.
wünscht sich ein Bild von Magdas 3 Kleinchen. Nun an
Euch alle viele Grüsse von Ul. und mir. Dir ein Kussel
von Deinem Kind
Brief
[Grünberg] 31. 5. 30 Liebe Mutter! Ich bin
recht in Sorge um Magda und bitte Dich, mir umgehend
mitzuteilen, wie es ihr geht. Bekam nämlich von Otto eine
Karte, auf der er schrieb, sie ist in Leipzig [bei seinen
Eltern]. Nun wälze ich immerzu die Gedanken "warum"?
Ist es mit dem Unterleib etwas, und hat sie sich operieren
lassen müssen? Oder geht es Vater Stölzel so viel
schlechter, jedenfalls muss etwas einschneidendes vorliegen,
dass sie Dich mit den kranken Kindern allein lässt. Nun
kommt eben von Tante Grete Post (sie schickt mir den
Florentiner), in der sie schreibt, wie es in Polkwitz geht
wirst Du von Mutter wissen. Da steigert sich meinen Unruhe,
weil Du noch nicht einmal schreibst. Ist es Keuchhusten und
haben ihn alle 3? Ich denke immer Müller [der Arzt?]
hat wieder zu schwarz gesehen [Tbc Verdacht wie bei Otto?].
Haben sie denn Erbrechen und das röchelnde nach Luft
schnappen? Ich weiss vom Kindergarten, dass das Erkennen sehr
schwer ist und man sich oft täuscht. Schliesslich ist er
[Keuchhusten], wenn auch eine sehr unangenehme, doch
keinen schlimme Kinderkrankheit. Ich verstehe vollkommen,
dass Du voll zu tun hast und oft nicht weist, wo Dir der Kopf
steht - aber schreibe trotzdem sofort. - Bei uns ist alles
wieder wohl. Leider ist es ja mit Fritzens Seereise ein
Irrtum gewesen. In Liebe Deine Katz.
Postkarte An
Frau Magda Stölzel, Polkwitz, Krs. Glogau Liebe Magda!
Grünberg 6. 9. 30 Mit gleicher Post geht eine
Drucksache an Euch ab - die Illustrierte ist für Otto,
inliegend ein weisses Blatt aus unserem Gästebuch für
Dich. Beschreibe es und gib es der Tante [Grete] an uns
mit. - Ja wann kommt das Benzel [Tante Grete] denn, ich
warte schon alle Tage auf eine Anmeldung? - Für die
schnelle Übersendung von Käthes Postsachen schönsten
Dank. Ihre Anschrift ist: [Gerhard und Käthe Schmidt]
La Paz, Bolivien, i.Fa. E.W. Harat, Casilla 359. Für
Deine Zeilen auch schönsten Dank Was macht das Ottchen?
Jetzt hat er ja wieder oft Sonne gehabt. Jedenfalls habe ich
mehrere Male "gebardet"[?], seit ich allein
bin. - Der Eltern [Gross] Besuch war sehr nett und Vater
hat sich so recht geaalt. - Jetzt ist bei uns hier Manöver.
Jeder hat Einquartierung und bereits um 5 Uhr wird man von den
Klängen der ausziehenden Truppen geweckt. Ein ganz
ungewohntes Geräusch und Bild. Über Euren Besuch
müssen wir noch das beste Zeugnis ausstellen. Deine
Schlankheit hat Ulrich beruhigt, wenn er meine Dicke sieht.
(Ich habe 14 Pfund zugenommen - alle Kleider sind zu enge!) Und
das Bárbel hat den besten Eindruck gemacht. Weisst Du,
Ostern haben wir beide Ernstel noch lieber gemocht, und diesmal
ist uns das Bärbelkind erst recht lieb geworden. Ich sehe
sie noch immer im Kuhstall und dann auf Ul. Rücken reiten.
- Das Eichhörnchen lässt sehr schön grüssen,
sie soll es bald wieder besuchen kommen. - Euch allen die
besten Grüsse von Eurer Katz + Ulrich [Am Rand]
Tantes Kommen freut uns sehr! Was kann ich Mutter
schenken? Postkarte mit
Bleistift geschrieben An Frau Amtsgerichtsrat Stölzel,
Polkwitz, Krs. Glogau Liebe Magda! [Grünberg]
23. 9. 30 Schreibt doch mal ein paar Zeilen obs Ottchen
wieder bei Euch ist, und wie es in Buchwald war. Wir denken
immerzu daran. Ist Mutter Stölzel bei Euch? Wie gehts den
Bergibagen[?] ? Bei uns ist Weinlese, da er so gut
geraten ist, schwelgen wir. Am Sonntag haben wir Most geprobt -
aber unvergoren!! - Sonst geht es uns gut. Ul. ist wieder
gesund, er hatte eine kleine Magensache wohl Überanstrengung.
Ich bin noch ganz rüstig! Habe das Um- und Aufräumen
hinter mir, nur noch die Wäsche, dann kanns
losgehen. Grüsse an euch alle von U + K. Mit
Schreibmaschine geschriebener Brief meines Vaters Lieber
Otto! Grünberg, Kapellenstr. 5, den 13. 10. 30 Leider
kann ich Euch noch nicht eine gewiss erwartete Mitteilung [der
Geburt des ersten Kindes] machen, wohl aber eine
unerwartete. Aus Magdas letztem Brief entnehmen wir, dass Ihr
doch mit der Möglichkeit einer Pensionierung rechnet. Für
diesen Fall möchten wir Euch vorschlagen, Euch neben uns
hier in Grünberg eine Obstsiedlung zu kaufen. Fallt nicht
um. Um billiger und vor allem für die Kinder besser
Wohnen zu können und unsere Zukunft so gut es geht zu
sichern, planen wir den Erwerb einer von der Stadt Grünberg
neu anzulegenden Obstsiedlung. Sie soll bestehen aus einem Haus
mit Zubehör, 2 Morgen Spargel, 2 Morgen Wein, 6 Morgen
Kirschen, Aprikosen und Pfirsiche, alles neu angelegt, Preis
3000 M[ark] Anzahlung, mehrere Freijahre, dann 800 M[ark]
jährliche Rente.. Landschaftlich wundervolle Lage, ein
wahres Kinderparadies, meist geschützte Südhänge,
Autobushaltestelle, etwa 10 Minuten vom Stadtinnern. Ringsum
Gärten, Weinberge, Wald und Park. Arbeitslöhne hier
nicht hoch. Absatzgenossenschaft vorhanden. Fachberatung durch
die Obstbaulehranstalt und die Stadtgärtnerei. Der Hügel,
den wir ausgesucht haben, bietet gerade Platz für 2
Stellen. Wir wären also ganz unter uns, da in der Umgebung
weiter nicht gesiedelt werden kann. Die Weingärten müssten
wir einem gelernten Winzer in Pflege geben. Für Obst und
Spargel könnten wir gemeinsam eine Gärtnerin halten.
In den ersten Jahrzehnten wäre sie nicht voll beschäftigt,
da kann sie nebenbei die Lehranstalt besuchen. Sollten wir mal
eine Versetzung (die höchst unwahrscheinlich ist) nicht
vermeiden können, so kann besagte Gärtnerin unseren
Teil unter Eurer Oberaufsicht weiter bewirtschaften und unser
Haus wird an einen Lehrer der nahen Anstalt z. B. weiter
vermietet. Kurz, wir würden uns schon durchbeissen, und so
günstig wird uns kaum wieder etwas angeboten. Denk an die
heutigen Mieten! Neubau-Vierzimmerwohnung hier 130-150 M[ark]
monatlich! Höhere Schulen am Ort! Der hiesige
Oberbürgermeister Dr. Busse (demokrat) und seine
Parteifreunde Minister Dietrich und Ministerialrat Bollert
interessieren sich sehr für die Geschichte. Da der Hausbau
(Beginn im nächsten Frühjahr) vom hiesigen
Stadtbauamt durchgeführt wird, hoffen wir bestimmt, dass
man auf unsere Wünsche eingehen wird, nötigenfalls
zahlen wir eine höhere Anzahlung. Falls Ihr unseren
Hausplan mit übernehmen würdet (unser Entwurf ist
fertig) so wäre das dem Bauamt sicher lieb. Obwohl das
Ganze noch ziemliche Zukunftsmusik ist, so scheint mir doch,
dass Ihr Euch ernsthaft mit solchen Gedanken befassen werdet.
Gesundheitlich ist die Lage sicher gut. Die Stadt hat in der
gleichen Lage und Gegend ein grosses Haus für
Tb-gefährdete Familien gebaut. Gelegenheit zu juristischen
und Verwaltungsarbeit wären hier sicher ebenso gut oder
schlecht wie anderswo. Katz kennt hier einen Rechtsanwalt und
Notar Friemel. Vielleicht ist das ein Anhaltspunkt, ausser dem
Dr. Busse. Selbst wenn aus dem Betrieb in den ersten 10 Jahren
gar kein Gewinn zu erzielen ist (in guten Weinjahren bringt der
Morgen Weinberg allein 1000 M[ark] und mehr) so glaube
ich doch, dass Ihr hier mit Hilfe der Pension gut und billig
leben könntet. Und die Anzahlung? Vielleicht könnten
Deine Eltern da helfen. Grössere Anschaffungen könnten
wir ja immer gemeinsam machen. Also Mut und Freude am
Plänemachen Dir und Magda herzliche
Grüsse! Ulrich [Zusatz meiner Mutter]
Hoffentlich lässt das Eschen [das erste Kind] auch
bald grüssen, es macht solche Anstalten. Bis dahin grüsst
unterdessen Eure Katz.
[Notiz meines Vaters ans
Seine Eltern in Sacro (aus Peter Schmidt's Päckchen von
Briefen)]
Liebe Eltern! 16.10 [30?]
Nun ist Euer erster Enkel
tot, und Katz hat sich so lange quälen müseen. Schon
am Freitag haben die Wehen angefangen. Das Kind muss am Sonntag
etwa gestorben sein, weil sich die Nabelschnur um den Hals
gewickelt hatte. Wenigstens hat es sich seitdem nicht mehr
bewegt. Am 7. war es noch munter; da war K. beim Arzt. - Gott
hat's genommen. Er wird wissewn warum.Es wäre uns sehr
lieb, wenn wenigsten Vater herkäme, falls Mutter nicht
kann, um uns bei der Beerdigung zu helfen. Wir möchten am
liebsten gar nichts hermachen. Telegrafiert sofort, ob Ihr
kommt.
Meine arme Frau! Wir können
uns noch gar nicht hineinfinden.
Euer
Ulrich Postkarte An Frau
Magda Stölzel bei Hammer, Breslau 8, Clausewitzstr
4/3 Liebe Magda! [Grünberg] 20. 11. 30 Eben
erhielt ich Mutters und Gerhards gemeinsame Karte, nach der es
Mutter wieder nicht gut geht. Schreibe mir bald mal, wie es bei
ihr steht. Dann möchte ich Dir sagen, dass ich
selbstverständlich Ernstel aber auch Bärbel für
einige Zeit her nehme, wenn es Mutter zu viel wird, aber Du
doch zu Otto willst! In dem Falle telephoniere nur nach hier
und lass es eventuell durch Nowaks ausrichten. Schliesslich
würde ich im Notfall das Kind auch in Breslau holen
kommen, ich denke schon so kräftig zu sein. -- Von hier
aus kann ich die Notwendigkeit Deiner Fahrt nach Buchwald nicht
beurteilen, ich konnte nur nach Mutters Zeilen schliessen und
riet danach ab. - Jedenfalls bin ich und auch Ulrich immer da,
wenn Ihr uns braucht. - - Nun schreib mal genau, wie es steht,
oder wenn es Euch eilt, gib telephonisch Bescheid. Eure Katz.
Gerd Dank für seine Nachricht.
Brief Weihnachten
1930! Erst kommt der Papa dran! Für ihn ist das
grosse Päckel: Es steckt die Wurzel von einer schönen
Blume drin. [Zusatz meines Vaters] Dahlie: Amon Ra
(gross gelbrot). Ernstel komm mal her! "Wenn aller Schnee
im Garten fort ist, holst Du Dir Deine Schaufel und gräbst
mit dem Papa ein tiefes Loch und die Bärbel senkt die
Wurzel in das Loch." Wenn dann zu Tante Käthes
Geburtstag [22. August] eine schöne gelbe Blume aus der
Wurzel gewachsen ist, kommt das Ernstel mit dem Papa nach
Grünberg und bringt mit dem Papa eine Blume auf den
Geburtstagstisch. Ja? Liebe Mama such Dir mal Dein Paketel!
Es sind Schuhe fürs Bett drin - ganz warm! Der
Weihnachtsmann hat mir erzählt, dass Du in der Nacht
manchmal raus musst, weils Brigittel nass gemacht hat. Die
Bärbel macht es doch nicht mehr, Jetzt wirst Du gar nicht
mehr an die Füsse frieren. Nun soll die Mama mal
Brigittels Paket suchen! Die Pipi ist fürs Brigittel ganz
allein. Der Weihnachtsmann sagt, die Bärbel hat schon
eine. Ernstel und Bärbel können sich jetzt ihre
Paketerl selber suchen. Für die Bärbel das
runde. Fürs Ernstel das flache. Bärbel mach mal
das Schächtelchen auf. Das sind 3 Brüder Purzel. Sie
sollen auf eurer Kugelbahn immerzu Purzelbäume schiessen.
(Geht das nicht, muss die Mutter ein Küchenbrett schräg
aufstellen) Ernstel, sieh mal was der Junge auf der Karte
macht! Kannst Du das auch so schön? Pass mal auf, der Papa
nimmt das Taschenmesser und schneidet den Kamm von der Karte ab
und dann probierst Du, Dich selber zu kämmen wie der
kleine Junge. Gelt und wenn Du mal nach Günberg kommst,
zeigst Dus Onkel Ulrich und der Tante Katzel. Und nun schöne
Weihnachtsgrüsse! Liebe Magda, lieber Otto! Grosse
Schätze konnten wir dies Jahr nicht graben, aber für
jeden sollte es ein Spass sein, und ein Zeichen, dass wir an
Euch dachten Wir feiern am Dienstag für uns, von Muttel
ist schon ein Paketel da! Mittwoch früh gehts nach Sakro,
wo wir bis zum 29. Bleiben werden. Offiziellen Urlaub gibt es
doch jetzt nicht. Von der grossen Käthe soll Post
gekommen sein, nach der es ihnen gut geht, wir lesen sie erst
in Sakro. [Zusatz meines Vaters] Wohl aber von früher
her! Am vergangenen Sonnabend/Sonntag bin ich das erste Mal
ausgeflogen nach Breslau. Am Sonnabend waren wir bei dem
[Wandervogel] Treffen - sehr gemütlich. Alle
fragten nach Euch und lassen sehr grüssen. Am Sonntag ging
Ulrich allein zum Thing, ich blieb bei Muttel, da wir schon um
1/2 vier wieder fahren mussten. Da konnte ich mit meiner -
unserer - Mama mal ganz ungestört plaudern. Gesundheitlich
geht es wieder ganz gut. Und wir können uns wieder dran
freuen, dass wir uns haben! Euch und den Kindern alles Gute
fürs Fest. In alter Leibe Eure Katz [Am Rand von
Vater geschrieben:] Das Breslauer Thing zeigte Gau und Bund
in ähnlicher Lage wie die Öffentlichkeit: Die
Spannung zwischen den bürgerlichen Gruppen (wozu ich ohne
weiteres die SPD rechne) und den immer stärker werdenden
Revolutionären (NSDAP) steigt rasch. Alles erinnert an den
Herbst 1923, wenngleich ich an eine gewaltsame Lösung noch
nicht glaube. Hier besteht eine politische Arbeitsgemeinschaft
der "Alten". Vertreten sind LVD, DVP, Staatspartei,
Zentrum, SPD, Jungnationale, Jungdemokraten. Nazis und
Kommunisten kommen kennzeichenderweise nicht, m. E. ein
schlechtes Zeichen für die anderen! Für die gute
Mutter und Katz war die Breslauer Reise reichlich kurz. Aber
was will man machen? Und jetzt zu Weihnachten sind wir - beide
- in Sakro auch nötiger als dort, zumal anscheinend immer
noch kein Brief aus La Paz gekommen ist. Das ist freilich bei
den dortigen Postverbindungen kein Wunder, aber immerhin schwer
für die Eltern. In der Hoffnung auf ein nicht zu fernes
Wiedersehen grüsst Euch alle herzlichst Euer Ulrich.
Brief Meine
Liebe Magda! Grünberg, den 1. 1. 1931 Den ersten Brief
im neuen Jahr bekommst Du, denn unsere guten Wünsche für
Euch sind besonders herzlich. - Heute Nacht waren wir im Bett
noch munter, als das Jahr eingeläutet wurde, da sah ich im
Geist unseren brennenden Weihnachtsbaum daheim, sah Muttel mit
der dicken Bibel sitzen und hörte die Uhr langsam ihre 12
Schläge schlagen. - Du, da habe ich das erste Mal Heimweh,
- Unser gutes Muttel! Möchte sie sich im neuen Jahr wieder
kräftigen und es leichter haben, als im alten. Ja, sie
trägt unsere Trübsal halt auch immer mit. Mir geht
es gesundheitlich ausgezeichnet und sonst kriege ich auch immer
weniger das grosse Heulen. Mein Langer hat rechte Geduld mit
mir haben müssen. Wir können aber doch dankbar sein,
wie alles kam, das Kleinchen hat wenigstens nichts zu leiden
gehabt und hat nun solch ein friedliches Plätzel. - Jetzt
kommen von allen Seiten liebe Grüsse. Die Mädels
schrieben alle. Leider macht sich auch unter ihnen die
Stellungsnot bemerkbar und ich versuche immer wieder jemanden
unterzubringen. Heut kam von Tante Marte ein lieber Brief. Sie
sorgt sich drum, was Dorle anfangen soll, Ostern übers
Jahr macht sie Abitur. Liese Reichelt schickte Bilder vom
Peterle, der sehr gross geworden ist. Erich war doch vor 1-1/2
Jahren geistesgestört. Das soll sich ganz gegeben haben.
Er sei jetzt wie ausgewechselt, und sie wären sehr gut
miteinander.. Hilde war dienstlich in England und Belgien, das
Geschäft geht nicht so recht. Ihren Jungen geht es gut. -
Nun was Euch besonders interessieren wird. Die grosse Käthe
schrieb vor Weihnachten nach Sakro. Sie durfte am 8. Tag zum
erstenmal aufstehen [die Schmidts hatten Zwillinge
bekommen]. Bis dahin war alles gut gegangen. Sie hatte eine
deutsche Hebamme, die sie auch nähte, (keinen Arzt!) ein
Kind war 5 Pfund das andere 5-3/4 Pfund. Im Hause hat sie 2
Indianerinnen. Dem Bilde nach etwas schlampige Weibsen mit
Hängezopf. In der Wohnung hat sie sich sehr verbessert und
nun 5 Zimmer, nett eingerichtet in schöner Lage an einem
Fluss, an dem ein Schwimmbad liegt. Ringsum sind schöne
Bäume, sie haben auch einen Garten. Die Frauen der
deutschen Siedlung haben sich sehr um sie gekümmert. So
waren die Eltern beruhigt und froh gerade zum Fest gute
Nachricht zu haben. In Sakro war es gemütlich und
ausruhsam. Mutter hat zwei [Mädchen], da brauchte
ich nicht zu helfen. - Mal nicht kochen. Da habe ich meist in
einem Sessel zusammengekringelt am Ofen gesessen und gelesen.
Vater schenkte uns eine Reisebeschreibung von Sylt und von
August Winnig "Frührot". Mutter schenkte uns
Inlets und Bezüge für Plümos. Die Federn nehme
ich von meinem dicken Deckbett. Ausserdem bekamen wir ein
blaues Hansel [Wellensittich]. So gings beladen nach
hier. Den ersten Tag wars Vögerle noch ganz verängstigt.
Heute geht es schon, er sitzt z. B. gern auf Ulrichs Kragen und
knabbert an den Haaren. Heut Mittag ist er in die
Apfelmusschüssel gefallen. [ein paar Monate später
kam er in einem Topf heissen Spinats um...] Wir machten
heute eine feine Autofahrt (mit Dora Wenzel und der
Buchhändlerin) durch den Kreis. Ulrich hatte Vorträge
zu bestellen. Besonders nett wars, bei den einzelnen Bauern die
Wurzeschweinchen und sonstige Viecher zu besehen. Daheim
haben wir uns den letzten Tag am Weihnachtstisch gefreut. Dein
Gasanzünder liegt schon nicht mehr drauf, er funkt schon
lange in der Küche und zwar tadellos! Die Schürze
wurde zuerst von Ulrich und dann von allen, die sie sahen
bewundert. Ul. lässt Dir seine Hochachtung aussprechen,
auch stünde sie mir! Mein Liebes, da hast Du Dir bei aller
Arbeit noch damit so viel Mühe gemacht. Otto lass ich
sagen, dass ich zinnerne Weinglasuntersetzer bekommen habe. Er
soll nicht erst warten bis wir einen Ausschank haben, um das
edle Grünberger Gesöff bei uns zu
probieren. Inliegend für Otto Städtebilde für
seine Sammlung, die wir in Sakro noch fanden. Hat er sie schon
- sind es Notizzettel. Fürs Ernstel einen abgelegten
Buntstift. Nun gute Nacht, es soll nicht wieder so spät
werden. In Liebe Deine Katz Von uns beiden an alle
Grüsse Brief
Liebste
Oma! Glatz 12. 11. 1934 Ich weiss, dass Du schon sehr auf
Nachricht von hier wartest, aber ich komme einfach nicht zum
ruhigen Schreiben. Gestern Nachmittag hatte ich mir alles
zurechtgelegt, da wachte Rolf auf, musste angezogen werden und
dann kullerten die kleinen auf uns herum. Sie werden jetzt
schon um 1/2 sechs Uhr abends besorgt. Um 1/2 sieben ist Rolf
dran. Meist gehe ich mit ihm noch eine 1/4 Stunde fort und
währen wir essen legt ihn Gustel [Kindermädchen]
schlafen. Aber nach dem Abendbrot hat sich Gerhard angewöhnt
noch mal den Rest Flasche zu verlangen, da bin ich um 1/2 neun
Uhr dann so müde, dass ich einschlafe, wenn ich nicht ins
Bett krieche. - Vormittags gehe ich mit allen dreien von 11 - 1
Uhr spazieren. Gustel muss mit dem Mittagessen dann allein
fertig werden, das geht ganz gut. Wir hatten jetzt seit drei
Wochen wieder fleischernes Essen angefangen. Da stellt sich bei
Ulrich mehr Migräne ein und mir sagte Dr, Futter, als ich
vergangene Woche nachsehen liess, dass meine Schilddrüse
durch die vegetarische Kost bedeutend besser geworden sei, und
riet dringen sie beizubehalten. So geht es halt ohne Braten
weiter. Wir kauften Möhren, Erdrüben und Kraut sehr
billig im ganzen ein. Äpfel, z. T. aus Sakro und vom
Lande. Alles lagert auf dem Boden. Ist es kälter, müssen
wir es zudecken. Wir hatten wieder eine grippige Woche.
Rolf bekam seinen vorjährigen Gesichtsausschlag nur noch
mit kleinen Eiterpusteln. Deshalb ging ich zum Arzt, der
entdeckte eine Mandelentzündung und durch das
Daumenlutschen hatte sich Rolf die Sache im Gesichtel verimpft.
Merkwürdigerweise klagte er nie über "verschluckte
Mandeln", wie er sonst sagt, sondern über Leibweh, so
war mir als Erbrechen dazu kam, die Sache so merkwürdig.
[N. B. das Leibweh hatte einen anderen Grund: verheimlichte
Angst! Zusammen mit einem Freund hatten wir Erdklumpen unter
vorbeifahrende Autos geworfen. Ein Fahrer hatte mich erwischt
und mit der Polizei gedroht. Ich konnte mich gerade noch zu
meiner Mutter retten, bevor ich in die Hose machte!] Jetzt
ist er noch kürmlich aber ungefährlich. Vater lag
auch 4 Tage. Er hatte sich am ersten Schultag wohl was geholt,
zumal er sehr abgearbeitet war. Heut ist er wieder im Dienst. -
Na so gibt es halt überall was zu kurieren. - Gerda Popp
haben sie das langerwartete Kindchen nehmen müsse. Mir war
es schon lange merkwürdig, sie wurde nicht stärker
und spürte keinen Bewegungen. Der Arzt meint, es sei schon
seit August abgestorben [5 Monate? ?]. So kann sie nur
glücklich sein, dass sie so heil davon kam. Sie ist nun
für 1/4 Jahr bei Verwandten auf dem Lande. Ruth Sindermann
kam auch ganz traurig zu mir. Ihr 4-jähriger Ernst hat so
starke Blutarmut, dass er kreideblass und eingefallen ist. Sie
liess sich Anweisung von ihrem Breslauer Kinderarzt geben und
bestrahlt ihn hier 3x in der Woche und gibt Leberpräparate
und Citronen. Sie soll ihn auf 2000 m Höhe bringen. Auch
Frau Hirsch {die nervöse Frau von Vaters Direktor]
soll ich immer mal trösten. Ulrich ärgert mich schon,
ich soll nur einen Frauenverein aufmachen. - Drüben in der
Mädchenklasse sind dies Jahr 5 Damen, aber keine so nett
wie die Burkhardt, ich werde mich nicht weiter um sie
kümmern. Wir denken schon immerzu an Dein Kommen [mit
Brigitte]. Ich habe schon Sehnsucht nach meinem Muttel.
Rolf büchste neulich beim Spazierengehen auf der
Neissebrücke aus. Ich war in tausend Ängsten, denn
ich konnte mit dem Kinderwagen nicht so schnell. Dann klärte
es sich auf. Ein Zug Richtung Breslau kam, und er war ganz
aufgeregt, "Meine Breslau Oma muss ich doch abholen."
Wie lange kannst Du bei uns bleiben? Wie ist es mit Tante
Martes Kommen? Wohin zieht sie? Kommt Dorle auch mit? Liebes
auf inliegenden Zettel schreibe ich einige
Weihnachtsbesorgungen auf, die man bei Bielschofsky wohl
billiger bekommt, aber passt es Dir nicht, kaufe ich halt hier
ein. Inliegend 20 M dafür. Nun grüsse alle schön.
Ein Kussel von Deinem Kind und den 3 Glatzer Nutzeln [Am
Rand:] Der Rolf bekam nun 2 Tage den Daumen zugebunden und
schlief nur unter schimpfen ein, jetzt lutscht er aber
seltener. Brief
[ohne Datum, November,1934?] Liebstes Muttel, Für
Deine Besorgungen recht schönen Dank. Ich finde die
braunen, hohen [Schuhe?] sehr schön, sie passen
auch so gut zu der Japan Seide. Eben zeigte ich alles Frau
Pabsch[?], sie war auch ganz begeistert und riet mir noch ein
Dreieckstuch (Brusttuch) zum Sommer zu kaufen, am besten an der
See. Ich habe ja noch Geld über. Aber mein Liebes, wie
geht es Dir heute. Deine Nachricht besorgt mich recht. Gehe mal
zu Mohn und lege Dich 3 Tage fest ins Bett. Für den
Schnupfen nimm die Tropfen. Sie sind noch ungebraucht, ich
fülle für Gerhard in die alte Flasche ab. Ich bin
noch in Erregung von dem entsetzliche Unfall vor unserer Tür.
Ich schicke 2 Zeitungsausschnitte mit. Bei Franzens ist der
Zaun ganz eingedrückt. Alle Kinder waren im Garten, ich
sah vom Fenster eine grosse Staubwolke auf der
Reichensteinerstr. und das Auto mit 2 Anhängern in
wahnsinniger Fahrt aus ihr herauskommen. Als ich in Angst
runter rannte, knallte es auch schon. Ich nahm sofort alle
Kinder in die Kinderstube, so haben sie nichts bemerkt als das
umfallende Pferd direkt vor dem Türdel. [ich erinnere
mich lebhaft an dieses Ereignis!] Als ich sah, dass die
Hebamme zu Hilfe kam, kümmerte ich mich lieber um die
Gören und rief nur dem Mädchen in der Nachbarschaft
zu, dass die Kinder bei mir sind. - Rolf lasse ich daraufhin
nicht mehr rollern [Unsinn, er tat es doch], er gräbt
tiefe Löcher im Garten, in die sie sich reinsetzten
[stimmt]. - Meine Wäsche ist draussen getrocknet
und gelegt. - Denke, es kommt nun der Danziger Sänger für
umsonst. - Na auch gut, da kann ich unten packen. Nun
wünsche ich Dir zu deiner Jungen [Gerhard und Hans]
Geburtstage auch noch nachträglich Gottes Segen. Ach mein
Liebes für jeden ein ereignisreiches Lebensjahr und für
Dich wohl die Trennung von ihnen. In Liebe Dein
Kind. Fast unleserlicher, mit Bleistift
geschriebener Brief:
|
Enhanced
Faksimile des Briefes
Liebste Oma! Glatz, 25.
5. 35 Mein Füller ist bei der Reparatur, so muss es mit
Bleistift gehen. - Über die volle Übersendung haben
wir und die gesamte Umgegend sich sehr amüsiert. Ulrich
liess das Auto unausgeladen stehen und erzählte, dass sich
nachts, als er Wache stand, immer Schaulustige den Kopf
zerbrachen, was wohl da drin wäre. Als ich dann am
Vormittag zum Auspacken kam, waren Scharen von Kindern, die das
Haus fachmännisch beäugten. Ihr habt daheim wohl
viele Räume[?] unendlich viel Ravage gehabt,
und so war es mal praktisch, dass mein Zeug wenigsten nicht
erst weiter rauf geräumt werden musste. Gestern habe ich
den grossen Hut (ein wahres Untier!) fachmännisch
behandelt und will mal sehen, was die Putzmacherin sagt. Gern
hätte ich gelegentlich noch die übrigen
Stiefmütterchen dafür, man trägt doch wieder
Blumen. Ach Ihr Guten habt alles so schnell zusammen gesucht,
habt Dank. Auf der Leiter stehen Vater und Sohn umschichtig.
Ersterer um sein Spalier zu besorgen. Gerhard Dank für den
Stecker, Rolf wollte ihn gleich wieder zernehmen, da habe ich
aber die Meinung gesagt. - Und Du mein Liebes hast tatsächlich
die Strümpfel fertig bekommen! Ach ich preise Dich
immerzu. Ich brauchte 5 Tage, um die Kindermäntel zu
vergrössern. Sie sehen aber nun wie neu aus. Aus den
Kragen Ärmelaufschlägen ein kleiner neuer
Krimmerkragen. Wie lange hätte ich da zu meinen Sachen
gebraucht! Rolf war neulich im grauen Bluserl und Hoserl
spazieren, er sah reizend drin aus. Rolf ging (z.T. die kleinen
buchstäblich mit allen vieren) von hinten auf den
Schäferberg. Rolf fuhr das Tindel und rief beglückt,
sie tritt schon auf alle Steinchen! Er war ausdauernd und nett
mit ihr. Gerhard ging mit mir, an der anderen Hand den
Kinderwagen. Haben die Pimmer nun nasse Windeln bekommen,
jedenfalls hatte Christine abends Fieber. Ich packte sie und
gab ihr was ein. Sie wurschtelt 2 mal. Gerhard lief das Näschen
und er hustet. Da habe ich am nächsten Morgen beide heiss
gebadet und geschwitzt, und sie trotz Hitze draussen nicht aus
dem Zimmer gelassen. Nun ist der Schnupfen fast das Fieber ganz
fort. Mir ist die Ursache aber nicht klar geworden. Ulrich war
für 2 Tage in Mittenwalde. Diese Nacht schliefen sie bis
1/2 acht durch! An einem Tage war ich mit Rolf auf der
[Ferien-]Wohnungssuche. Wir haben nun Thanndorf in
Aussicht genommen. Grosses Bauernhaus mit ganz neuem Anbau,
geräumig, nette, saubere Leute. Gegend grosse weite
Wiesenhänge mit Büschen. Wald etwas weit. 3/4 Stunde
zum Schneeberg. - So magst Du Dirs erklären, dass ich erst
heute schreibe. - Das feuchtwarme Wetter bringt alles zum
schnellsten Wachsen. Der Flieder wird morgen wohl aufbrechen.
Der hochgebundene Wein trieb an einem Tage um Handbreite, auch
das Gras kommt auf dem Spielplatz. - Vom Reibi[?} erlebten
wir nichts, da wir gerade an dem Tage unterwegs waren.
Urkomisch, die Ehrenpforten des tschechischen Erzbischof
standen auch gleich für ihn, nur die lateinischen
Inschriften wurden in Psalmen umgewandelt. Sonst der gleiche
Zinnober vor dem Rathaus mit gleich "schöner"
Rede des Herrn Oberbürgermeisters. - War eigentlich
[Gauleiter] Zänker in Breslau erschienen, die
Zeitung erwähnte ihn gar nicht? Heute hat Rolf sich
allein angezogen, weil Vater zwei Hörnchen von der Tour
mitgebracht hatte, und er sie gerne frühstücken
wollte. Er ist augenblicklich recht verständig. - Gustel
hat Küche und Speisekammer abgekehrt, eine riesige
Schweinerei. Als alles, wie immer in solchen Fällen, im
fusshohen Wasser stand, ging das Licht aus. Sie schrie um
Hilfe, denn sie hatte die Lampe mit dem Kabel und den Schrauben
rausgerissen. Das kostet nun erst Monteurgelder. - Aber Gustel
hat sich in meine Einteilung jetzt auch ohne Murren gefunden.
Was wünscht sich's Benzel? Lebt wohl! Grüsse
an Euch alle. Ein Kussel von Deiner Katz Und den 3
Pimmern. Christine füttert Tantes Puppe täglich,
neulich haute sie diese mit einem abgebrochenen Rutenstöckel
dabei durch und rief "fui, fui" Sie wäscht sie,
und ich soll immer Salbe danach aufs Gesichterl streichen. -
Ach mein kleines Mütterlein. Wenn ich die Kleinen
anschimpfe, schreien sie kläglich
"Omi!" Brief
Liebstes
Muttel! Glatz, 6 .8. 35 Heute morgen um 5 Uhr ist Ulrich zu
einem 4 wöchigen Sportkurs nach dem Kreis Braunschweig
abgefahren. Dies kam alles sehr plötzlich, weil er bis
Freitag zur Saatenanerkennung fort war. Er wurde mit drei
anderen Herren aus der schlesischen Kammer von Darré
[Landwirtschaftsminister] dahin berufen. In seiner
Abwesenheit besorgt ein von Breslau geschickter Vertreter z. T.
seine Geschäfte, besonders die Bodenuntersuchungen, die
der Habelschwerdter Arbeitsdienst unter seiner Aufsicht im
ganzen Kreise durchführen soll. Ulrich telephoniert mit
dem Breslauer Vorgesetzten, aber es war nichts zu machen, sie
bestanden auf seiner Teilnahme. Ich tröstete ihn so viel
ich konnte, wer weiss wozu der Vorsprung dieser Ausbildung vor
den anderen Kollegen mal nützt. Freilich, weil er sich
hier nicht frei machen wollte, hat er zwei Reichswehrkurse, die
ihm mehr Spass gemacht hätten, abgesagt. So haben wir,
Gustel und ich, 2 Tage ordentlich geschuftet um alles fertig zu
haben nach der Wäsche. Ulrich war (selbst Sonntag) immer
über Land und hatte zu keiner Vorbereitung Zeit. Ich bin
froh, dass er aus diesem Tret mal raus ist und nun eine
geordnete Lebensweise haben wird. Hoffentlich nicht zu
anstrengend. Wenn alles klappt können wir am 3. September
dann gleich anschliessend in Urlaub fahren. Wollts Gott! Ich
bin einerseits ganz froh, dass ich mich nun in aller Ruhe
vollends kurieren kann. Und dass der Mann dann hoffentlich mal
eine frische Frau hat. Dr. Futter hatte schon recht, nach der
3. und 4. Spritze liessen die Schmerzen endlich nach, und ich
bekomme wieder Mut (jetzt bekomme [ich] wohl noch 2
Spritzen und werde die Woche fertig sein damit). Vorläufig
bin ich noch sehr angeschlagen und liege meistens im Garten.
Das Bettliegen war zu scheusslich, weil durch die Wärme
alles noch mehr juckte, aber es war notwendig, denn die
Spritzerei strengt an. Neulich klappte ich dabei um. Erholte
mich aber, sodass ich allein heim gehen konnte . Am Sonntag hat
Gerda Popps Bruder, Gerda, unsere Magda und die Zwillinge in
seinem grossen Auto [Opel] mit nach Ottmachau genommen.
Friedemann war in seinem Auto mit dem Photokasten und der
Gehilfin und dem Hund vorausgefahren. Sie brauchten
Sommerbilder mit Kindern für die Kalender und sollen 3
Filmspulen verknipst haben. Alle waren begeistert von den
Pimmern und diese von der Sache. Gerhard soll ohne Scheu im
Wasser getobt haben, Tindel stillvergnügt mit Schäufelchen
und Eimer auf dem Sande gesessen zu haben. Ich war aber doch
froh, als ich sie um 1/2 zwei Uhr wieder hatte, wollte aber
Gerda den Gefallen tun, da sie so freundlich zu den Kindern
war. Rolf spielte vergnügt neben meinem Liegestuhl im
Garten, erst zog er ein Schippchen, als man ihn nicht ins Auto
mit verlud. Gerhard redet seit her, wenn er mit seinem Auto
spielt vom "Okul Popp" (mit ganz spitzem Munde sagt
er's) und dem Dux (Hund) - die hatten sie im offenen
Kofferkasten mit. Nu - ja. Aber hübsche Bilder und umsonst
machen sie. Hier hast Du wieder Deine kleinsten
Zwillinge. Dieses Photo wurde 5000x abgezogen für den
Weihnachtskalender. Mein Tindel ist darauf entschieden die
niedlichere. Sie hat jetzt oft Zahnweh, denn oben kommen
die Eckzähne. Heute passierte ihr im Garten ein grosses
(sehr dummes) Malheur, was ihr entsetzlich peinlich war. - Rolf
rollt gerade Quarkklösse draussen, er kann es genau wie
ein grosses, drückt die Aprikose genau in die Mitte und
rollt rings um glatt. Hoffentlich werden sie nicht "gräulich".
Ich musste eines von seinen essen. Gestern bei Tisch fing er
urplötzlich zu schluchzen an, "Vaterle warum musst Du
hinter Berlin fahren?" presste er hervor. Ach mein armes
Büberle. R tröstete sich, als ich sagte wir wollten
jeden Abend fürs Väterle beten. Gestern forderte er,
ich soll noch was von der Oma zum lieben Gott sagen. Eben
kam Dein Paket mit den Mänteln. Der mittlere passt Rolf
ganz schön, der kleine Christinchen. Gerhard hat noch
einen alten blauen von Rolf. So haben sie fürs Gebirge
altes Zeug, indem sie sich schmutzig machen können. Ist es
kalt bekommen sie die Strickjäckel darüber. So kann
ich mit der Anschaffung von Wintermänteln warten bis wir
wiederkommen. Rolf bekam schon richtige Gebirgsschuhe, die er
jeden einzeln vorführt. Nun sollen die Kleinen noch
beschuht werden. Ich habe alles. - Denke, die Krankenkasse
zahlte nur 143 M von 280 für Krankenhauspflege, Arzt und
Medikamente täglich 8.50. Der Arzt setzte allein 10 M je
Tag an. Ich schickte auf Ulrichs Geheiss Tante Hanna diese
Aufrechnung mit. Ich hätte gewünscht, er hätte
dies selber gemacht (denn die Eltern mischten sich bei der
Zwillingsrechnung ein, als wenn wir Tante Hanna geprellt
hätten, aber er kam ja nicht dazu. [Am Rand]
Grüsse Rettel sehr, wir freuen uns, dass es ihr besser
geht. Wann kommt Gerhard wieder? Das Du's Benzel bald daheim
hast, freut mich, hoffentlich hat sie Magda etwas aufgefrischt,
sie kann das ja! Tausend liebe Grüsse. Alle drei
schleckten an der Zukerstange. Dein Kind und 3
Enkelchen.
Popp-Bildpostkarte:
Gerhard und Tine mit einem Zicklein Stempel: Glatz, 7.
8. 35 An Frau Amtsgerichtsrat Stölzel,
Gelnhausen/Hessen, Alte Leipzigerstr.41 [Nach Otto's Tod
an Tbc (1932?) zog Magda in das Haus ihrer Schwiegereltern in
Gelnhausen] Liebe Magda! Eben bringt mir Frau Popp
diese Karte, sie kommt in den Kalender. Meine Pimmern geht es
sehr gut. Rolf ist lieb und artig. Eine nette Hilfe kommt den
ganzen Tag. Ulrich wird von einer Reise zur anderen gehetzt.
Jetzt soll er bis zum Urlaub im September zu einem Sportkurs
nach Braunschweig gehen. Bis dahin bin ich dann hoffentlich
frisch. Jetzt sinds 6 Wochen, dass die Blutvergiftung[?]
anhält. Mein hiesiger Arzt steckte mich wieder fest ins
Bett und macht eine Spritzenkur "???", da sollten die
Juckschmerzen endlich aufhören. Ich habe die bestimmte
Hoffnung, dass es nun wird. - Für Dein schönes Paket
danke ich endlich. Die Kinder haben die Sachen schon auf dem
Leibe, sie nützen mir sehr. - Wie geht es bei Euch?
Sonntag brachte Mutter Brigitte von Euch mit. Die Gute ist mir
jetzt besonders nahe. Schreibe mal. In Liebe Deine
K. Brief Glatz, 16. 6.
37 Meine liebe Magda! Eben vom Abendaustrieb meiner Horde
heimgekehrt. Es waren Telegraphentruppen draussen vor der Tür,
die die Reichensteinerstrasse in die Höhe eine Leitung
legten. Mittags zogen unsere 38-er mit klingendem Spiel zum
Truppenübungsplatz. So gibts immer was zu sehen. Und ich
kann meine Schäflein längst nicht mehr hinter ihrem
Zaun halten. Nun sind rings in der Nachbarschaft Gärten
entstanden, und die Kinder spielen überall mit einer
grossen Horde anderer. Das ist für alle Teile
erspriesslich und mir eine grosse Erleichterung. Rolf macht ja
schon weite Unternehmungen allein auf seinem Roller und ist
sehr stolz darauf. Er hat mal eine vernünftige Periode.
Dass wir auf der Schneekoppe [Riesengebirge] mit ihm
waren, weisst Du aus unserer Karte. Beiliegend ein Bild von
oben. Heut ist Ulrich in Hirschberg, morgen in Heinbergshöhe
und Freitag in Landshut zu einem Wirtschaftsberatungskursus.
Ach ich wäre brennend gerne mitgefahren. - "Mein
Schlesierland, mein Heimatland" - gelt, das verstehst Du!
Aber uns geht es in der Grafschaft [Glatz] ja auch so
gut. Am Sonntag war Elfriede [Hammer] hier, und wir
fuhren nachmittags nach Maria Schnee. Es war so schön
harmonisch mit ihr. Hoffentlich kommt sie bald wieder. -
Pfingsten waren wir alle in Schweidnitz bei Hilde Voelskow.
[Ich entsinne mich lebhaft an alle drei Unternehmen]. Du
siehst die Bilder von dort. Sie ist weit ruhiger und
gleichmässiger geworden und mir immer noch recht ans Herz
gewachsen. Die Jungen und auch Pappi Voelskow hatten so viel
Spass mit den Kindern. [die Voelskows hatten ein Fabrik für
Spielzeug und Kinder- und Sportgeräte] So wurde aus
der Stippvisite ein ganzer Tag. Schliesslich packe ich Dir noch
ein Bild der Schmidt Jungen bei [nach dem Tod der
einjährigen Zwillinge kehrten die Schmidts 1931 aus La Paz
nach Frankfurt a.O. zurück] - Bitte alle Photos
zurück! - Wir stecken nun schon in Reiseplänen und
mieteten in Koserow [auf der Insel Usedom an der Ostsee]
(von Bansin durch den Langen Berg getrennt) für 4
August Wochen. Ich habe eine getrennte Küche, da wird es
mit dem Wirtschaften schon leicht gehen. Das Mädel [Hilde]
macht sich auch ausserordentlich gut, ist blitzsauber, flink
und schnell. Sie kann es gut mit den Kindern. Zum Kochen fehlts
zwar noch! - So habe ich mich darin wieder einrichten müssen,
aber es geht mir erstaunlich leicht. - Denke, meine
Darmabsonderungen sind nach der 6. Wurmkur endlich weg.
Hoffentlich bleibe ich von den Schmarotzern nun eine Zeit
verschont. - Na, sie sorgten für eine so schlanke Taille,
dass mir Ulrich einen fabelhaften Strandanzug aussuchte - alles
weg! vorn und hinten! Für die Kinder strickte ich eine
Badehose nach Eurem reizenden Muster (hoch rote) so sind sie
auch versorgt, und wenn Du mir die Strandhütel
gelegentlich schickst, da hätte ich alles! Meine Tinle hat
immer noch Not mit dem Fingerle [dessen Kuppe in den Rädern
der Wäscherolle abgequetscht worden war], er eitert
immer wieder. Unds Gerhardel hatte sehr unter den Impfblattern
zu leiden. Arme, Hals, Brust und auch die Augendrüsen
waren dick und blauschwarz unterlaufen. - Jetzt in der 4. Woche
fängt er an, nicht mehr müde zu sein. Hier werden
alle Kinder auch gegen Diphtherie Schutz geimpft. Bei den
Schulkindern ist es Zwang. Ich will es aber nicht machen
lassen, denn ich habe den Eindruck, als ob Gerhard doch recht
zurückgekommen war durch die Pockenimpfung. - Na, er hat
es hinter sich! [etwas später entdeckte der Arzt eine
Tbc Infektion!] Über die Stelle in Deinem Brief,
dass Du Deine Mädels täglich putzt, haben wir schön
gelacht. Ich werde noch immer von Ulrich mit meinen
"Anziehpuppen" aufgezogen. - Kannst Du etwas für
sie zur Ausstaffierung gebrauchen? Was wünscht sichs
Ernstel? Schreibe es bald. Haben die Kinder schon Ferien zu den
Geburtstagen? Hier fangen sie schon in der nächsten Woche
an. Und schreibe auch gleich einen Wunsch für Dich. - Ich
muss den Kindern so oft singen: "Wenn ich ein Vöglein
wär - flög ich zu Dir!" Ach wie gerne tät
ichs. Ach mein Liebes, wie wars so schön bei Dir! Sage der
Oma Marie ich stricke auf ihren Nadeln wieder mal Träger
fürs Badehösle. - Was macht die andere Oma? Ist
Trulli tatsächlich als Schwester eingetreten? Was macht's
Kättel? Muss sie wieder in die Alpen? - Wann fährst
Du mit Hans? Nach Paris? Mich zöge es dahin nicht so sehr.
- Ich freue mich auf Gerhards Besuch, Mutter schrieb so
freudige Andeutungen [Gerhard wollte endlich
heiraten]. Ach unsere Mutt, was wäre ihr diese
langersehnte Freude zu gönnen Leb wohl mein
Schwesterlein, es grüsst Euch alle K. und die 3
Gören. Mit
Bleistift geschriebener Brief Koserow, Waldstrasse 16. 8.
37 Meine Liebe Magda! Nach 10 Tagen heisser Sonne ist
heute kühl und bedeckt, sodass man mal in Ruhe im
Strandkorb sitzt. Die Zwillinge bäckern, Rolf sitzt trotz
kaltem Wasser in seinem Hafen. Ulrich baut den immer
zerrittenen Wall neu. Wir haben es arg gut getroffen, 3 Min.
vom Strand liegt die Wohnung. Rundum schöner Mischwald. 2
nette grosse Zimmer und eine Veranda mit grosser Treppe in den
Garten. So haben die Kinder freien Auslauf nach allen Seiten.
Sie waren die ersten Tage wie losgelassen, jetzt haben sie sich
schon sachter eingewohnt. Auch schlafen sie viel und essen noch
mehr. Mit dem Kochen gehts leicht. Wir kochen nur einfaches,
das die Hilde schafft. So haben wir uns schon erholt, und ich
bin glücklich, dass mir das ofte Baden für meine
Darmbeschwerden so gut tut. Käthe Schmidt ist doch in
Heringsdorf, wir besuchten uns gegenseitig einen ganzen Tag mit
allen Kindern und den Mädeln. Die Vettern massen ihre
Kräfte und kullerten johlend unter und übereinander.
Ganz gut dass dieser Mordsbetrieb nicht täglich ist. Wir
Alten vertrugen uns ausgezeichnet, und mein altes gutes
Einvernehmen mit Käthe ist wieder hergestellt. Reizend ist
mein Patenkind Sabinchen, immer strahlend zufrieden. Auch in
Frankfurt [wo wir auf der Fahrt übernachtet hatten]
ging es ohne Zwischenfall und war recht nett. Denke, die
Schwiegermutter kommt für 8 Tage nach der See nachgereist.
Sie ist bei Käthe, na wir haben ja das Auto hier, mit der
Bahn ist es umständlich bis zu uns!! Mit dem Auto
durchfuhren wir schönes Land. Die Kirche in Prenzlau -
Backsteingotik (Blaue Bücher) - sowie die alte
Marienkirche in Frankfurt sind ja wunderbar aber uns doch
fremd, es ist der Bau des Nordens, denke an Stralsund. Mit
Stralsund will ich wiedersehen feiern, wenn wir nach Rügen
fahren, der Damm ist für Autos freigegeben. In Bansin habe
ich gestern viel an unsere Kindheit gedacht. Es ist ja dort
bedeutend grossartiger und feuchter als damals. Am Forsthaus
Fangel gings auch vorbei! Bis Anfang September haben wir noch
eine schöne Zeit, hoffentlich mit viel Sonne. Du Liebes
schicktest Dein schönes Päckel grade zur rechten
Zeit. Gerhardel hatte vom ersten Tag ein bissel Sonnenbrand und
setzte sofort das Hütel auf, und ich vervollkommte meine
Ausrüstung. Wie hast Du alles so fein gemacht. Die Tasche
mit dem Gummifutter ist doll praktisch und so schön gross.
Habe sehr dank mein Schwesterle. - Wie mag es bei Euch gehen?
Wie geht es Bärbel? Zu dumm, dass euer Ferienschluss nun
so getrübt war. Gerhard schrieb wie hübsch es bei Dir
war, mir ist die Eva [Gerhards neue Frau] auch lieb, und
sie fasst Gerhard richtig an, er ist seither ein viel
vergnügter Mensch geworden. Warst Du schon mit Hans
zusammen? - Über den Erfolg von Ernstel auf seiner
Wanderung freuten wir uns auch. Du der wächst aus allem
heraus! Leb wohl, die Sonne kommt raus, ich will mich vor
Tisch noch mal aalen. Dein Katz. Postkarte
An Frau Magda Stölzel, Gelnhausen/Hessen, Alte
Leipzigerstr. 41 Habelschwerdt, 7. 11. 44 Liebe Magda!
Von Mutter höre ich so eben, dass Fritz Dir seine 4
Kinder brachte [um den Luftangriffen in Köln zu
entgehen]. Falls Ihr bei Ramdohrs zwei von ihnen nicht
unterbringen könnt, nehme ich sie. Ich hatte längst
überlegt, wie ich das einrichten würde. Wir sind
froh, dass die Viere heil bei Euch landeten. Hoffentlich
schaffst Du die viele Arbeit. Bei uns ist alles in Ordnung. Ich
denke an Euch alle und grüsse Euch Eure Tante Katzel.
|