Die Werke des Johannes Andreae From: http://www.bautz.de/bbkl/j/Johannes_and.shtml Aus: Verlag Traugott Bautz Band III (1992) Spalten 255-258 Autor: Ilona Riedel-Spangenberger |
JOHANNES ANDREAE, (1280 – 1348) bedeutender Rechtsgelehrter und Kanonist im Mittelalter, Doktor beider Rechte, den seine Zeitgenossen »Quelle und Horn des Rechts« nannten. J.A. wurde um 1270 geboren als Sohn des Andreas und seiner Konkubine Novella in Rifredo bei Florenz, + 7. Juli 1348. - Der Kirchenrechtler legte sich wegen seiner Vorliebe und Verehrung des Kirchenvaters und Heiligen Hieronymus den Beinamen »de Sancto Hieronymo« zu und vererbte ihn an seine Familie. Schon als kleines Kind zog er mit seinen Eltern nach Bologna, wo sein Vater den Beruf des Grammatiklehrers ausübte und 1280 zum Priester geweiht wurde. Johannes lernte bei ihm und bei Bonifatius von +Bergamo Grammatik und darauf schon als Jugendlicher römisches Recht bei Marsilius von Mantighelli, Martinus Syllimani und Ricardus Malumbra sowie kirchliches Recht bei Aegidius de Fuscariis und dem Archidiakon Guido de Baysio. Der junge Mann mußte seinen Unterhalt selbst verdienen, indem er Unterricht erteilte, eine Beschäftigung, die ihm lästig und nicht wichtig war, so daß er finanziell schlecht gestellt war. Sein Lehrer Guido de Baysio, der von seinem fachlichen Können überzeugt war, förderte ihn und ermöglichte ihm unentgeltlich die Promotion. Es ist bekannt, daß J.A. seit 1301 öffentlich als Professor in Bologna auftrat. Daraufhin lehrte er einige Jahre in Padua und kehrte schließlich 1309 an die Universität von Bolgna zurück. Verheiratet war er mit Melancia, die er auch bei juristischen Fragen zu Rate zog und an seinen wissenschaftlichen Arbeiten beteiligte. Mit ihr hatte er drei Söhne und vier Töchter. Sein Sohn Bonincontrus wurde auch Rechtsgelehrter und betätigte sich politisch. Aufgrund seiner Beteiligung an einer Verschwörung gegen die Regierung von Bolgna wurde er enthauptet. Drei der Töchter des J.A. heirateten bekannte Rechtsgelehrte und Kanonisten. Seine vierte, 1312 geborene und nach seiner Mutter benannte Tochter Novella vertrat ihren Vater bei Vorlesungen, wenn dieser wegen Krankheit verhindert war. Nach einem zeitgenössischen Bericht der Christine de Pisan soll Novella die Vorlesungen ihres Vaters hinter einem Vorhang vorgetragen haben, damit die Studenten nicht durch ihre auffallende Schönheit abgelenkt wurden. Der Rechtshistoriker Willibald M. Plöchl (Geschichte des Kirchenrechts, 1966/69, Anm. Rolf) nennt sie »die erste Dozentin des Kirchenrechts in der Geschichte der Kanonistik.« Den Namen dieser Tochter trug auch das größte Werk des Kanonisten, nämlich der Kommentar zu den Dekretalen, den er dem Kardinallegaten und Bischof von Ostia Bertrandus widmete. Der Rechtsgelehrte hatte noch weitere Kinder, die unehelich von ihm abstammten und später hohe kirchliche Positionen erreichten, sowie einen adoptierten Sohn, den Kanonisten Johannes Calderinus [Johannes Calderinus-Andreae (~1300- 1365) heiratete Novella Andreae, sein Urgrossenkel Hypolitus liess den Zunamen Calderinus um 1470 schliesslich fallen. Anm. Rolf]. Enge freundschaftliche Verbindungen hatte J.A. zum König Hugo von Zypern und Jerusalem sowie zu dem Humanisten Francesco Petrarca. Aber ebenso geschätzt als Ratgeber war er bei Päpsten, Kirchenfürsten und weltlichen Herrschern. Neben seiner wissenschaftlichen und schriftstellerischen Tätigkeit erlangte er auch als politisch engagierter Bürger in seiner Stadt hohes Ansehen. Er führte einige politische Aufträge aus. So besuchte er 1328 Papst Johannes XXII. in Avignon und unterstützte die Bemühungen des Kardinallegaten Bertrandus, die päpstliche Herrschaft über Bologna herbeizuführen. Auf der Rückreise von Avignon wurde er von den gegnerischen Ghibbelinen bei Pavia überfallen, ausgeraubt und acht Monate im Kastell Silvano festgesetzt. Die Stadt jedoch entschädigte ihn und der Papst überließ ihm ein Lehngut im Gebiet von Ferrara, woraufhin sich seine finanzielle Situation erheblich verbesserte. So war J.A. im Alter vermögend und konnte sich auch wohltätig erweisen. Er selbst führte ein bescheidenes Leben, das von Frömmigkeit und Askese bestimmt war. Infolge der Pest starb er am 7. Juli 1348 und wurde in der Dominikanerkirche von Bologna begraben. Seine Grabinschrift lautet: »Hier liegt der weltberühmte Johannes Andreae, der als erster den Liber Sextus, die Novellen des Clemens, die Lobreden des Hieronymus und die Rechte des Speculum behandelt hat; der Rabbi der Doktoren, das Licht, der Beurteiler und der Maßstab der Sitten starb er am 7. Juli 1348 durch das Verhängnis der schrecklichen Pest.« Erst im 16. Jahrhundert errichtete ihm seine Familie ein Grabmal. Die wissenschaftlichen Werke des J.A. sind von herausragender Bedeutung für die kanonistische Forschung. Er gehörte zu den jüngeren Dekretalisten, die sich mit dem von den Päpsten erlassenen Recht, den Dekretalen, befaßten und die Zeit der klassischen Kanonistik prägten. Viele Rechtsgelehrte zeigten daran Interesse und bearbeiteten die seit dem Liber extra des Papstes Gregors IX. publizierten päpstlichen Rechtssammlungen. Die Universität von Bologna war in besonderer Weise damit befaßt, weil die Päpste ihr direkt ihre authentischen Dekretalensammlungen zuschickten. J.A., der ausgezeichnete Kenntnisse über die gesamte mittelalterliche Rechtsliteratur besaß, schrieb die »Glossa in Sextum« (1303) und die »Glossa in Clementinas« (1326), indem er die betreffenden päpstlichen Rechtssammlungen kommentierte und mit Bemerkungen versah. In seinen »Commentaria novella« zum »Liber extra« (1338) setzte er sich mit den Lehrmeinungen zahlreicher Kanonisten auseinander, deren Meinung nur auf diese Weise überliefert wurde. In der nach seiner Tochter benannten »Novella in Sextum« (1336-1339) erläuterte er den »Liber sextus«. Er verfaßte auch die »Lectura arboris consanguinitatis«, die in das Corpus Iuris Canonici aufgenommen wurde, sowie die »Summa de sponsalibus et matrimonio« und weitere kleinere Schriften u.a. zum Prozeßrecht und zum Speculum iudiciale des französischen Kanonisten Wilhelm Durantis. Jurisprudenz war für J.A. das Wissen und die Vermittlung der historischen Rechtsquellen, das Abwägen von Positionen und Meinungen, die Feststellung von Übereinstimmungen und das Belegen der eigenen Argumentation und Entscheidung mit historischen Quellen. Dabei war er ein Verfechter des positiven Gesetzes und der universalen Autorität des Papstes. Er hatte auch gute Kenntnisse der Heiligen Schrift und der Theologie des Bernhard von Clairvaux und des Thomas von Aquin. Bezüglich der Anwendung des Rechtes war er eher rezeptiv als kreativ. Seine Werke sind aufgrund der Verarbeitung zahlreicher Quellen bis heute für das Kirchenrecht der katholischen Kirche und für die Rechtskultur in Europa von großer Bedeutung. Werke: Novella Commentaria in quinque libros decretalium, 5 Bde, Venedig 1581 (Neudruck. Turin 1963), In Sextum Decretalium librum Novella Commentaria, Venedig 1581, In titulum de Regulis iuris Novella Commentaria, Venedig. 1581; Corpus iuris canonici glossatum I-III, Lyon 1519-1520; zu den Handschriften vgl. Friedrich Carl von Savigny, Geschichte des römischen Rechts im Mittelalter, Bd. VI, Heidelberg 2. Auflage 1850, S. 98-125; Johann Friedrich von Schulte, Geschichte der Quellen und Literatur des kanonischen Rechts von Gratian bis auf die Gegenwart, Bd. I, Stuttgart 1875, S. 205-229. Literature.: Friedrich Carl von Savigny und Johannes Friedrich von Schulte vgl. Werke; - Rudolf von Scherer, Johannes Andreä, in: Wetzer und Welte's Kirchenlexikon, Bd. VI, Freiburg i. Br. 2. Auflage 1889, Sp. 1600-1602; - Franz Gillmann, zur Frage der Abfassungszeit der Novelle des Johannes Andreä zu den Dekretalen Gregors IX., in: AfkKR 104 (1924) S. 261-275; - Willibald M. Plöchl, Geschichte des Kirchenrechts, Bd. II, Wien-München 1955, S. 449-450; - Antonio Rota, Giovanni d'Andrea, in: Enciclopedia Cattolica, Citta del Vaticano 1955, Sp. 494-495; - S. Stelling-Michaud, Jean D'Andre, in: Dictionnaire de Droit Canonique, Bd. VI, Paris 1957, Sp. 89-92; - Alfons M. Stickler, Johannes Andreae, in: LThK, Bd. V, Freiburg i. Br. 1960, Sp. 998, Georg May, Einführung in die kirchenrechtliche Methode, Regensburg 1986, S. 59, No‰l Vilain, Prescription et bonne foi du Décret de Gratien (114 0) a Jean d'André (+1348), in: Traditio 14 (1958) S. 121-189; - Antonius Mampra, De habitudine fori ecclesiastici et civilis apud Johannem Andreae, Bangalore 1971; - Testimonianze di Giovanni d'Andrea sulle »Quaestiones« civilistiche, Catania 1980. Ilona Riedel-Spangenberger Letzte Änderung: 09.06.1998
Index of Works by Iohannes Andreae From: http://www.uni-leipzig.de/~jurarom/manuscr/Can&RomL/authors/a1525.htm
At this website can be found a list of all extant manuscripts of the below given titles (In this copy the links are inactive)
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